Rezension

Intensiv und spannend, aber etwas überzogen

Dunkelgrün fast schwarz - Mareike Fallwickl

Dunkelgrün fast schwarz
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 4 Sternen

Freundschaft voller dunkler Geheimnisse

„Es war nur ein Zufall, ein Unglück, dass er Raf begegnet ist. Das Schlimmste vielleicht, was ihm je geschehen ist. Und Jo. Für Jo gilt das ebenfalls. Und gleichzeitig, ein bisschen auch das Beste.“

 

Inhalt

 

Für Moritz ändert sich förmlich von einem Moment auf den anderen sein Leben, als vollkommen unerwartet sein bester Freund aus Kindertagen vor der Haustür steht. Raffael, genannt Raf, den er seit fast 15 Jahren nicht mehr gesehen hat, bittet um ein Nachtquartier und Moritz gewährt es ihm, wie jeden seiner Wünsche seit eh und je. Eigentlich hat Moritz mit dieser alten Freundschaft längst abgeschlossen, denn Raffael ist damals einfach verschwunden, ohne ein Wort des Abschieds, ohne sich für irgendetwas zu interessieren. Die Beziehung der beiden zueinander ein Phänomen – war es doch immer der charismatische, einprägsame Raf, dessen Skrupellosigkeit und Entschlossenheit ebenso wie seine Geheimniskrämerei einen deutlichen Gegenpol zu Moritz Offenheit und Schüchternheit darstellten. Erst als Kristin, die Lebensgefährtin von Moritz kurz vor der Entbindung ihres ersten Kindes auszieht, weil sie es nicht länger mit Raffael unter einem Dach aushält und dieser keine Anstalten macht, die Unterkunft zu verlassen, sieht sich Moritz gezwungen, die unschöne Vergangenheit aufzuarbeiten und den Dämonen von damals Zutritt zu gewähren.

 

Doch von was lebt Raffael eigentlich? Warum bleibt er so lange und wo will er hin? Und warum klingelt er nach so vielen Jahren gerade bei Moritz an der Tür? Fragen, die einer dringenden Klärung bedürfen und die umso elementarer werden, als plötzlich Jo, die Jugendlieber beider Männer auftaucht und sich dazugesellt. Moritz ist sich sicher – das ist ein abgekartetes Spiel und sein Seelenheil der bittere Preis für die absichtlichen Fehltritte anderer.

 

Meinung

 

Die österreichische Autorin Mareike Fallwickl widmet sich in ihrem Debütroman den vielen unterschiedlichen Facetten einer unausgeglichenen Männerfreundschaft, die in ihrer Tiefe und Intensität schnell den Weg der Normalität verlässt. Sie schafft ein psychologisches Porträt über menschliche Motive, Beziehungen einzugehen, sie zu führen auch entgegen der inneren Überzeugung und sie mit bitterem Nachgeschmack zu beenden. In erster Linie steht dabei der Wille und die Charakterstärke Einzelner im Zentrum der Erzählung und ihre Macht oder besser der Missbrauch selbiger, um das eigene Selbst zu erhöhen und andere damit zu erniedrigen.

 

„Dunkelgrün fast Schwarz“ bezeichnet die Farbe, die der künstlerisch begabte Moritz an seinem vermeintlich besten Freund wahrnimmt. Denn Moritz verfügt über die ungewöhnliche Begabung rund um eine fremde Person eine sich verändernde, doch dominante Farbe wahrzunehmen. Und dieses Gefüge manifestiert sich in klaren, hellen Farben und damit freundlichen Charakteren und dunklen, gefährlichen Tönen, die dennoch enorm reizvoll sind. Doch was Moritz nicht kann, ist es Grenzen zu ziehen und sich gegen das Bedrohliche in Raffael abzugrenzen. Er wird zum emotional abhängigen Mitläufer, dem durchaus mit erschreckender Einsicht bewusst wird, dass sein Ego immer durchscheinender im Glanz des Anderen wird.

 

Die Autorin vermag es intensiv und spannend eine Geschichte über viele Jahre hinweg aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und doch immer im entscheidenden Moment, den Leser im Unklaren zu lassen und eine seltsame Schwebe aufrechtzuerhalten, die fesselt aber auch anstrengt, denn nie erfährt man, was Raffael eigentlich ist und was er mit seinem Verhalten bezweckt.

 

Fazit

 

Ich vergebe empfehlenswerte 4 Lesesterne für einen gut durchdachten, auf Emotionen und Geheimnissen basierenden Roman, der tief in menschliche Abgründe hineinschaut. Wer sich für Psychologie interessiert oder hinter die gutbürgerliche Fassade schauen möchte, ist hier genau richtig. Zum Lieblingsbuch fehlt mir aber einiges, auch wenn viele Leser so schwärmen. Vor allem die Tatsache, dass die Spannungskurve so sehr ausgereizt wird, hat mir missfallen. Denn irgendwann habe ich aufgehört, den Menschen hinter dem Protagonisten zu suchen und habe das Geschehen nur noch hingenommen, ohne mir genauere Gedanken darüber zu machen.