Rezension

Interessant, informativ und unterhaltsam

Zeit, sich einzumischen - Walter Sittler, Gerd Leipold

Zeit, sich einzumischen
von Walter Sittler Gerd Leipold

Bewertet mit 4.5 Sternen

Korrupte Politiker, soziale Ungerechtigkeit, geldgierige Banken…, all das versetzt Bürger in Wut und bringt sie dazu, sich einzumischen und mehr Beteiligung zu fordern.
Doch was bedeutet das für unsere heutige Form der Demokratie?

 

Die Proteste gegen Stuttgart 21, die Unruhen am Taksim-Platz in Istanbul oder die Aktivisten von WikiLeaks sind prägnante Beispiele dafür, welche Möglichkeiten sich bieten, aufzubegehren und seinen Unmut gegenüber den Mächtigen kundzutun. Dank der globalen Vernetzung ist es immer leichter, an Informationen zu gelangen und sich so in politische Vorgänge einzubringen.
Vor diesem Hintergrund reisten der ehemalige Chef von Greenpace International, Gerd Leipold, und der Schauspieler Walter Sittler über Schweden nach Paris, Istanbul, Reykjavik und andere Orte in ganz Europa. Dabei gingen sie den Fragen nach, was Demokratie heute noch leisten kann und wie und ob sie den neuen Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden muss.

 

 

Okay, ich muss gestehen, dieses Buch fällt etwas aus der Reihe der Werke, die ich sonst auf meinem Blog vorstelle. Der Hintergrund dazu ist, dass ich auf der Frankfurter Buchmesse die Lesung zu Zeit, sich einzumischen verfolgt habe und richtig überrascht war, wie interessant die betreffenden Ausschnitte klangen. Als ich es dann zum Geburtstag geschenkt bekam, habe ich es in einem Rutsch durchgelesen.
Das lag zum einen daran, wie die beiden Autoren die Themen angehen und behandeln. Einige von euch haben bestimmt schon von den Gezi-Protesten oder den Demonstrationen gegen S21 gehört. Immer mehr Menschen beteiligen sich am politischen Geschehen oder fordern zumindest die Möglichkeit dazu. Anstatt diese Materie rein historisch oder trocken-rational darzulegen, mischen Gerd Leipold und Walter Sittler Persönliches mit ihren Erfahrungen, die sie vor Ort sammeln. So entstand ein faszinierender Reisebericht, der aufschlussreiche Denkansätze bietet, ohne dabei jemals langweilig zu werden.

 

Die neun Episoden, die von den beiden Autoren abwechselnd erzählt werden, führen einen an so manchen interessanten Ort in Europa. Dank der vielen Informationen zu den einzelnen Städten und diversen kurzen autobiographischen Abschnitten werden die Berichte und Interviews angenehm aufgelockert. Man erfährt in ausreichender, nicht zu ausufernder Form alles Wissenswerte über die Hintergründe der jeweiligen politischen Situationen.
Aufgrund des ansprechenden, gut verständlichen Schreibstils kann man die Diskussionen der Gespräche toll verfolgen und sich, was meiner Meinung noch wichtiger ist, leicht ein eigenes Urteil bilden. Es werden direkt oder indirekt verschiedene Positionen einander gegenüber gestellt, ohne den Leser explizit zu zwingen, eine davon einzunehmen. Was für etliche, die vielleicht eine klare Antwort auf ihre Fragen oder sogar eine Anleitung erwarten, womöglich enttäuschend sein mag, ist für mich das Positivste an dem Buch.
Allein die Tatsache, dass das Eine oder Andere doch etwas zu kurz ausgeführt wurde, stört ein wenig die Vielleserin in mir.

 

 

Zeit, sich einzumischen ist eine interessante Dokumentation aktueller Zeitgeschichte, die vor allem durch seine unterhaltsame Darstellungsweise besticht, zu der man schnell einen Zugang findet. Politisch relevante Ereignisse, besonders im Bereich Bürgerbeteiligung, werden einem so nahe gebracht, dass man die Ausführungen sehr gut nachvollziehen kann, ohne sich dabei zu langweilen. Dank der Reiseberichte und Interviews mit jeweiligen Beteiligten erfährt man aufschlussreiche Hintergrundinformationen zu den einzelnen Geschehnissen.
Wer sich also für moderne Gesellschaftspolitik interessiert und sich gerne eine eigene Meinung dazu bilden möchte, aber mit allzu trockenen Texten nichts anfangen kann, der sollte bei diesem Buch ruhig zugreifen!