Rezension

Interessant und gut geschrieben

Vater, Mutter, Staat - Rainer Stadler

Vater, Mutter, Staat
von Rainer Stadler

Rainer Stadler zeigt wie die Wirtschaft und unser Staat von arbeitenden Frauen und der Ganztagesbetreuung profitieren.

Stadler stellt es gut an. Nirgendwo sagt er direkt, dass kein Kind fremdbetreut werden sollte oder unter einem Jahr bei den Eltern sein muss. Immer wieder ruft er die Individualität der Kinder in den Vordergrund. Dass es eben solche gibt, die kein Problem mit Fremdbetreuung haben, und die, die noch zur Einschulung nicht wirklich mit einer anderen Umgebung als ihrem Elternhaus klar kommen. Ein dickes Plus dafür. Ein dickes Plus, das Stadler ehrlich bleibt und nicht sagt: Ich spreche für alle und alle Kinder noch dazu. Nein, er ist ja auch gar nicht per se gegen Ganztagesbetreuung. Nicht einmal das kann ich ihm vorwerfen.

Stattdessen war ich beim Lesen fasziniert, wie plausibel und strukturiert er argumentiert, unterfüttert mit Beispielen und Zeitungsartikeln. Dass der Staat die Ganztagesbetreuung gar nicht eingeführt hat, um die Familie zu entlasten, sondern, um mehr Arbeitskräfte zu gewinnen und dadurch letztlich auch die Individualität von Familie und Kindern abzuschaffen. Wer aus der Norm fällt, wird zurechtgebogen. Rabiat, will man meinen, wenn das Buch aufgeschlagen ist.

Eine interessante und sicher nicht ganz falsche These. Dass der Staat nach Jahrzehnten der Unterdrückung der Frau, eingesehen hat, dass dies heute nicht mehr geht und prompt die Kehrtwende macht hin zur Frauenquote und den schnellen Einstieg ins Berufsleben. Dass Frauen, die „nur“ Mütter sind immer noch stigmatisiert werden. Sogar nettes über das mittlerweile abgeschaffte Betreuungsgeld kann er sagen, so dass ich es ihm nicht komplett um den Kopf werfen will. Ausdrücken, ja ausdrücken kann er sich.

Gerade darum finde ich es etwas schade, dass er frevelhaft ähnlich vorgeht, wie die, die er kritisiert. So sagt er, Studien, die einen positiven Effekt von Ganztagesbetreuung gezeigt hätte, würden verschweigen, dass dieser minimal ist und noch dazu auch ein negativer Effekt besteht. Ebenso minimal. Andere Kinder betreffend. Schon sind wir wieder bei der Individualität und Stadlers Argument gegen die Betreuung verpufft, wenn eine Abschaffung den kleinen positiven Effekt für manche Kinder wieder zunichtemachen würde. Wäre das denn nicht genauso schlimm? Dass es durchaus Kinder gibt, die mit eins oder früher nicht so weit sind, stimme ich blind zu. Dass sie deswegen grundsätzlich schädlich sind, nicht.

Diese Struktur zieht sich ziemlich durch das ganze Buch. Wo immer ich mit dem Autor einer Meinung bin – etwa, dass der Staat Doppelverdienerhaushalte gerade für Familien nötig macht und damit wiederrum die Ganztagesbetreuung mit fordert, oder dass Kinder in unserer Gesellschaft viel zu oft als Hindernis für die Karriere, statt als Bereicherung gesehen werden, und ganz besonders dass eine Arbeitswelt, in der Eltern beide nur in Teilzeit arbeiten gehen und dafür mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können wegen der zusätzlichen Motivation nicht nur dem Arbeitsalltag, sondern auch der Geburtenrate entgegen käme – kommt ein Punkt hinzu, in dem ich mich stark wehre. Dass die Frauen und Feministinnen eingetrichtert bekommen haben, so sein zu müssen wie die Männer und eigentlich nur darum arbeiten gehen – nicht weil sie sich dabei wirklich verwirklichen wollen. Dass Männer im Gegenzug noch immer nicht mit Kind und Haushalt am Hut haben (wollen) (was er selbst immer wieder vehement abstreitet und rühmlicher Weise oft von Eltern, Elternschaft und gemeinsamen Verpflichtungen gegenüber der Kinder spricht!). Oder dass das Betreuungsgeld das Hausfrauengehalt gewesen wäre, das früher immer gefordert wurde (Pustekuchen. 150 Euro? Dafür bekommt man kaum eine Putzfrau bezahlt.)

Stadler will mitnichten, dass die Frau brach Heimchen am Herd spielt und Mann und Kinder versorgt. Jedenfalls sagt er das nicht (kluger Mann). Vielmehr plädiert er für eine wirkliche Wahlfreiheit, ob jemand arbeiten geht, oder nicht. Ob jemand sein Kind fremdbetreuen lässt, oder nicht. Für mehr Zeit mit den Kindern und miteinander. Für mehr Väter, die mehr unternehmen – im Haushalt und mit den Kindern. Für mehr Familie.