Rezension

Interessante Neuinterpretierung der Geschichte von Romeo und Julia

Julia für immer - Stacey Jay

Julia für immer
von Stacey Jay

Bewertet mit 5 Sternen

Wir alle kennen das berühmteste und tragischste Liebespaar der Geschichte: Romeo und Julia. Durch Selbstmord besiegelten die beiden ihren ewigen Bund und ließen uns mit dem Gefühl zurück, dass sie nun auch jenseits des Todes für immer vereint bleiben.

Aber ist es wirklich so, wie es uns Shakespeare weisgemacht hat? Oder war doch alles ganz anders? Nein, alles gelogen! Und das erfahren wir von Julia persönlich. Julia tötete sich nicht aus Gram über Romeos vermeintlichen Tod. Romeo hat selbst den Dolch in Julia gestoßen, seine Liebe zu ihr verraten, um Unsterblichkeit für seine Seele zu erhalten.
Aber auch Julia hatte die Wahl und entschied sich, auf ewig als körperloses Wesen zu existieren, eine so genannte Botschafterin, deren Aufgabe es ist, durch die Jahrhunderte zu wandeln, in die Körper Liebender zu schlüpfen und sie davor zu bewahren, ihre Geliebten an die so genannten Söldner zu opfern, um Unsterblichkeit zu erlangen wie einst Romeo.

Romeo ist zum Söldner geworden, der die gegenteiligen Ziele verfolgt. Und so kämpfen die beiden einstmals Liebenden schon seit mehr als 700 Jahren gegeneinander.

Die Geschichte beginnt damit, dass Julia im Körper der 17jährigen Ariel aus Solvang/Kalifornien erwacht. Soeben hatte das seit einer Kindheit im Gesicht vernarbte Mädchen versucht, sich und ihren Freund Dylan zu töten, nachdem sie erfuhr, dass dieser nur auf Grund einer Wette mit ihr zusammen war. In dem abgestürzten Autowrack muss Julia schnell feststellen, dass Romeo sich des Körpers des toten Dylans bemächtigt hat (Denn Söldner können im Gegensatz zu Botschaftern nur Leichen bewohnen.), und schon kommt es zum Kampf zwischen den beiden. Julia kann nur entkommen, indem sie in das Auto von Ariels (ihr bislang unbekannten) Klassenkameraden Ben springt. Sofort fühlt sie sich unwiderstehlich hingezogen zu diesem Jungen – und andersrum scheint es genauso zu sein. Doch darf Julia sich überhaupt verlieben? Schließlich ist Ariels Körper nur geliehen, und sobald sie ihren Auftrag erledigt hat, wird sie wieder in das Nichts geschickt, in dem ihre Seele verweilt, wenn sie gerade keinen Auftrag erfüllen muss. Ihre Liebe zu Ben hätte somit keine Chance, und schon gar nicht, nachdem Julia herausfindet, dass Ben einer der beiden seelenverwandten Liebenden ist, die sie beschützen muss! Der andere Teil ist die egozentrische Gemma, Ariels beste Freundin, die sie bevormundet und herablassend behandelt.

Verwirrender wird es noch, als Romeo/Dylan Julia ein Angebot macht: Die Feinde sollen sich zusammentun statt einander zu bekämpfen. Julia soll ihn wieder lieben lernen, nur so können sie ihre unsterblichen Seelen retten, in ihre eigenen Körper zurückfinden und der quälenden Ewigkeit als Söldner und Botschafterin entkommen. Aber kann Julia Romeo wirklich verzeihen? Dem Romeo, der sie nicht nur damals verraten und getötet hat, sondern der mittlerweile ein herzloses, mörderisches Monster geworden ist, das ohne mit der Wimper zu zucken Menschen tötet und auch Julia ständig jagt, um ihre Seele zu zerstören? Nein, das kann sich Julia beim besten Willen nicht vorstellen! Zu tief sitzen der Schmerz und der unbändige Hass auf ihren ehemaligen Geliebten!

Doch wieso tauchen plötzlich Geister aus der Vergangenheit auf? Warum sind plötzlich die anderen Söldner verschwunden, von denen es immer nur so wimmelt? Weshalb schwinden die normalerweise übermenschlichen Kräfte von Romeo und Julia? Wieso fühlen sich Julia und Ben so unerklärlich stark zueinander hingezogen? Und warum ist die Amme, Julias Mentorin, spurlos verschwunden? Und gelingt es Julia wirklich nur mit Romeos Hilfe, Ariel, Ben und Gemma zu beschützen und sich selbst zu erlösen?

Die Geschichte wird aus der Sicht von Julia erzählt. Dementsprechend ist sie von Julias Gefühlen, allen voran den Hass auf Romeo, gekennzeichnet. Aber auch von den Gefühlen Ariels, denn Julia hat „Zugriff“ auf Ariels Erinnerungen und Gedanken und sieht die Welt aus ihrer Sicht. So erfahren wir, dass Ariel – mit einem enormen Selbsthass ausgestattet – sich von ihrer Mutter ungeliebt fühlt und sich von ihrer Freundin Gemma schlecht behandeln lässt, weil sie sonst keine Freunde hat. Zwar ist es Julias Auftrag, Gemma und Ben zu beschützen und zueinander zu führen, aber sie verschreibt sich auch der Aufgabe, Ariels Leben irgendwie zu kitten, so lange sie in deren Körper ist und für sie spricht und handelt. Und so gelingt es ihr z. B. auch, Ariel und ihre Mutter Melanie wieder zueinander finden zu lassen.

In kurzen Zwischenstücken kommt auch Romeo in paar Male zu Wort. Und so sehen wir auch die andere Seite der Medaille. Zwar ist Romeo durchaus ein gewissenloses Monster geworden, doch blitzen ab und an auch noch die guten Seiten des damals jungen, verliebten Romeos auf.

Die Handlung ist sehr spannend, und mal ehrlich, die Geschichte von Romeo und Julia derart weiterzuspinnen ist schon echt einfallsreich. Hoffnungslose Romantiker werden hier erstmal knallhart auf den Boden der Realität zurückgeholt.

Das Buch ist gut verständlich geschrieben und sehr angenehm zu lesen. Die Sprache ist lebendig, und trotz der ernsten Thematik gibt es doch auch ein paar humorvolle Szenen, z. B. wenn man erfährt, dass Romeo höchstpersönlich Shakespeare aus purem Vergnügen eine falsche Happy End-Version von „Romeo & Julia“ in die Feder diktiert hat.

Durch den Kampf im Auto gleich am Anfang (nach dem Prolog in Verona) wird man direkt in das Geschehen hineingeworfen und es ist von der 1. Seite an spannend. Während der Handlung werden von Julia auch die ganzen Zusammenhänge nach und nach erklärt: Wer die Söldner und die Botschafter sind, wie das mit der Übernahme der Körper ist (Z. B. dass man die Gedanken und Erinnerungen übernimmt und sich zu eigen macht, aber nicht die künstlerischen Talente der „Wirte“.), was damals in Verona wirklich passiert ist usw.

Das Ende ist dann auch sehr überraschend und absolut nicht absehbar! Gut finde ich, dass das Buch zwar Teil 1 einer Trilogie ist, die Geschichte aber an und für sich abgeschlossen ist. Würde man das letzte Kapitel (aus Romeos Sicht) weglassen, so hätte man das Buch meiner Meinung nach für sich alleine so stehen lassen können. Doch das letzte Kapitel legt den Grundstein für den 2. Band „Romeo für immer“.

Mir fiel es sehr schwer, das Buch aus der Hand zu legen und ich kann es jedem empfehlen, egal ob Romantiker oder nicht!