Rezension

Interessante Thematik

Warten auf den Wind -

Warten auf den Wind
von Joubert Irma

Bewertet mit 4 Sternen

„...“Darf Agatha heute Abend mit ins Kino?“, will sie am Samstagnachmittag von ihrer Mutter wissen. „Sie kennt das gar nicht.“ „Nein, das geht nicht, die darf nämlich nicht hinein.“ „Warum denn nicht?“ „Weil sie schwarz ist.“...“

 

Wir befinden uns auf einer Farm in Südafrika anno 1976. Agatha ist die Spielgefährtin der 10jährigen Katrien. Agatha ist die Tochter von Martha, die in der Küche arbeitet. Katriens Eltern gehört die Farm. Nun wird Katrien erstmals mit den Schattenseiten der Apartheidpolitik konfrontiert.

Katrien ist die Nachzüglerin in der Familie. Sie wächst behütet auf und genießt eine Menge an Freiheit. Doch zwei Jahre später verliert sie durch einen Unfall ihre Mutter. Das wird ihre weitere Entwicklung entscheidend prägen.

Im gleichen Jahr wächst der 15jährige Wladek in Polen ebenfalls als Nachzügler auf. Er ist technisch interessiert.

Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Roman geschrieben, in dem die politischen Verhältnisse in Polen und in Südafrika im Vordergrund stehen. Anfangs waren mir beide Protagonisten nicht sehr sympathisch.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Obwohl die Autorin die Zeitverhältnisse gut wiedergibt, vermisse ich in der ersten Hälfte die Spannung.

Katrien entwickelt sich zu einer rebellischen jungen Frau. Sie fühlt sich von der Familie ungeliebt. Als Leser sehe ich das nicht so. Sehr deutlich wird die innere Zerrissenheit von Katrien.

 

„...Vater ist einst in dieser Schule Hausältester gewesen, denkt Katrien. […] Und heute bekommt er hier zu hören, dass seine Jüngste von der Schule fliegt. Sein Haar wird an den Schläfen schon grau, und er sieht müde aus, fast schon alt. Auf einmal tut er ihr furchtbar leid...“

 

Doch Vater und Tochter finden über lange Zeit keinen Zugang zueinander. Katrien will provozieren und hat eine einzige Freundin, die sie dazu gekonnt anstachelt. Während sie in der Familie gegen alles rebelliert, ordnet sie sich der Freundin fast widerspruchslos unter. Eines geht Katrien an diesem Tag nicht das letzte Mal durch den Kopf:

 

„… Alles, was du machst hat Folgen, manchmal sogar weitreichende Folgen, hatte der Pfarrer am Sonntag gepredigt...“

 

Währenddessen gerät Wladek fast durch Zufall in die Auseinandersetzungen in Polen. Als Student in Krakau arbeitet er als Kurier für Solidarnocz. nimmt seine Aufgabe ernst, unterschätzt aber die Gefahr. Als er verraten wird, vermittelt sein Vater den Kontakt zu Onkel Jakob in Südafrika. Wladek gelingt die Flucht aus Polen.

Auch Katrien geht zum Studium nach Johannesburg und wohnt bei ihrem Onkel Jakob. Dort treffen die beiden aufeinander. Jetzt nimmt die Geschichte Fahrt auf.

Wladek schätzt Katrien nach den ersten Begegnungen so ein:

 

„...Das ist eine verwöhnte Göre, die Aufmerksamkeit will, stellt er schließlich mit leichter Verärgerung fest. Ein Teenager, der alles besser weiß, mit dem Körper einer Frau und der Anspruchshaltung eines Kindes...“

 

Wladek ist durch die Geschehnisse in Polen gereift. Er weiß, was er will und was nicht. Er nutzt die Chancen, die sich ihm bieten. Katrien engagiert sich gegen Apartheid und Wehrpflicht. Sie stößt damit in ihrer Familie auf Unverständnis. Wladek warnt sie vor den möglichen Gefahren. Er ist eingebranntes Kind. Katrien aber weiß es besser. Andererseits ist es ihr Engagement, das mich erstmalig die junge Frau in einem positiveren Licht sehen lässt.

Zu den inhaltlichen und stilistischen Höhepunkten gehört für mich das Gespräch von Katrien mit ihrem Großvater. Sie ist gerade in einer schwierigen Situation und er ist der erste, dem sie sich wirklich öffnet. Seine weisen Ratschläge bringen sie zum Nachdenken.

 

„...Wenn du nämlich die Gnade einmal erlebt hast, dann möchtest du in den Gottesdienst gehen, egal wie der ist, einfach weil dd Gott loben und preisen willst. […] Die Frage ist also: Was müssen wir tun, weil wir das ewige Leben ererbt haben?...“

 

Leider gibt es in der Geschichte ein paar offen Handlungsfäden. Das Thema Apartheid wird außerdem vor allem aus der Sicht der weißen Bevölkerung geschildert.

Erstaunlich fand ich die Parallelen zwischen den Verhältnissen in Polen und in Südafrika, obwohl es völlig unterschiedliche Systeme sind.

Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen. Es kommt aber nicht an die Vorgängerbände heran.