Rezension

Interessanter Gesellschaftsroman

Der erste Ball der Clara Carter - Siri Mitchell

Der erste Ball der Clara Carter
von Siri Mitchell

Bewertet mit 4 Sternen

Clara ist 17 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Vater, einem Arzt, und ihrer Gouvernante Julia in New York. Sie würde gern an ein College gehen, denn sie interessiert sich für Naturwissenschaften.

Ihr Vater aber hat andere Pläne mit ihr. Dazu hat er ihre verwitwete Tante ins Haus geholt. Sie soll Clara auf ihr Debüt vorbereiten. Und es kommt schneller als gedacht.

Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Gesellschaftsroman aus dem Jahre 1890 geschrieben. Detailgenau erzählt sie vor Leben der jungen Frauen.

Das Buch lässt sich zügig lesen. Auf  gekonnte Weise wird die schöne Fassade der besseren Gesellschaft entblättert. Clara und ihre Freundin Lizzi werden zur gleichen Zeit in die Tanzsäle und Empfänge von New York geschickt. Das Ziel ist der Heiratskandidat Franklin de Vries, Sohn reicher Eltern.  

Clara ist eine aufgeschlossene junge Frau. Ihre Gouvernante hatte sie auch mit dem Schattenseiten der New Yorker Wirklichkeit vertraut gemacht. In der Gesellschaft aber spricht man nicht darüber. Dort kommt es darauf an, nichtssagende Konversation zu machen. Nur einer richtet sich nicht danach. Harry de Vries, jüngerer Bruder des Erben, ist auch für ernste Gesprächsthemen zu haben.

Erschreckend für mich als Leser waren die Zwänge, denen die Frauen ausgesetzt sind. Ein besonders krasses Beispiel ist das Korsett. Nicht das Korsett hatte sich der Frau anzupassen, sondern die Frau dem Korsett. Es wurde auf die Wunschtaille eingestellt und war Tag und Nacht zu tragen.

Durch Harry de Vries kommt der christliche Aspekt ins Buch. Seine Ansichten bringen Clara zum Nachdenken.  Sie erinnert sich auch wieder an die Lieder, die ihre Mutter so gern gesungen hat.

Aufgelockert wird der Roman durch die eingefügten Nachrichten aus der öffentlichen Presse. Völlig konträr werden dabei die gesellschaftlichen Ereignisse interpretiert.

Der Sprachstil des Buches ist dem Genre angemessen. Prunk und Pracht werden exakt beschrieben. Die nichtssagenden Gespräche ließen mich den Kopf schütteln. Wenn sich dagegen Lizzi und Clara unterhalten, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Besonders für Lizzi ist die Ballsession eher ein Spiel. Ihr fehlt die nötige Reife. Schade, dass ihre Jugend so abrupt unterbrochen wird.

Das dunkel gehaltene Cover mit der jungen Frau passt zur Geschichte.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ihm an manchen Stellen, vor allem bei der Menge der gesellschaftlichen Verpflichtungen, ein Kürzung gut getan hätte. Intrigen und Machtspiele, Erpressung und Unterdrückung werden trotzdem deutlich herausgearbeitet.