Rezension

Interessanter Reisebericht und Zeitzeugnis

Reise ohne Landkarten - Graham Greene

Reise ohne Landkarten
von Graham Greene

In den Zeiten von Navigationsgeräten, GPS und entsprechenden Smartphone-Apps kann man es sich kaum vorstellen, eine Reise ohne diese Hilfsmittel zu unternehmen. Und wenn diese schon nicht verfügbar sind, gibt es ja immer noch Landkarten, mit deren Hilfe man sich orientieren kann. All dies hatte der englische Romancier Graham Greene nicht zur Verfügung, als er im Jahr 1935 gemeinsam mit seiner Cousine Barbara aufbricht, um Liberia zu Fuß zu durchqueren. Westafrika ist zu diesem Zeitpunkt höchst unzureichend kartographiert, sodass diese Reise ein höchst abenteuerliches Unterfangen darstellt, zumal es auf einer der beiden verfügbaren Karten als weißer Fleck gekennzeichnet, auf der anderen quer mit „Kannibalen“ beschriftet ist.

Über die Motivation für diesen Trip ins Unbekannte mag man spekulieren. Einerseits ist es sicher die Faszination einer Reise zu den Ursprüngen der Zivilisation, wie bereits Jahrzehnte zuvor von Joseph Conrad beschrieben, denen Greene erliegt. Es ist die Frage nach dem „Woher?“ und „Wohin?“ der westlichen Gesellschaften, und somit schlussendlich auch eine Pilgerreise zum Innersten, zum Unbewussten des Menschen.

Das Reisetempo ist verglichen mit heutiger Zeit eher gemächlich, die Anfahrt per Schiff bietet einen sanften Übergang, und nach der Ankunft in Sierra Leone gilt es zuerst einmal eine größere Anzahl Träger zu verpflichten. Diese schultern nicht nur das Gepäck, sondern ab und an auch Greene und seine Cousine, ein Umstand, der im Hinterkopf des Lesers „Kolonialismus“ aufblinken lässt. Aber man muss diesen Reisebericht natürlich im zeitlichen Kontext sehen, und damals war dies natürlich absolut üblich (heutzutage gibt es das bei Everest-Expeditionen schließlich auch noch).

Greene gibt im Wesentlichen seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse wider, beschreibt die Natur, aber auch die Menschen, die ihm auf seinen Wegen begegnen. Politische Kommentare sind eher selten, aber wenn er diese dann einflicht, schimmern schon das eine oder andere Mal Töne durch, die man so heute nicht mehr lesen möchte. Man muss sich bei der Lektüre immer vor Augen halten, dass Greenes „Reise ohne Landkarten“ nicht nur ein autobiographischer Reisebericht sondern auch ein Zeitzeugnis ist, und als solches ist es natürlich äußerst interessant und spannend.