Rezension

Ist Spinoza ein Problem?

Das Spinoza-Problem - Irvin D. Yalom

Das Spinoza-Problem
von Irvin D. Yalom

Bewertet mit 4.5 Sternen

Auf zwei Ebenen kann die Frage angegangen werden. Der Autor wählt zum einen die Zeit und Person Spinozas selbst, um uns den Philosophen näher zu bringen. Bei der zweiten Ebene handelt es sich um die Person des Alfred Rosenberg, eines Nazi-Führers, diese spielt logischerweise im 20. Jahrhundert. Den Ansatz dieser Gegenüberstellung fand ich sehr interessant. Da sind zum einen die gradlinigen, den Geist anregenden und gleichzeitig beruhigenden Passagen über den großen Denker und Philosophen Spinoza, von dem oder über den ich bisher noch nichts weiter gelesen hatte. Und zum anderen die teilweise widerwärtigen Gedankengänge des aufgeblasenen Möchtegerns Rosenberg, der seine kruden Gedankengänge über die jüdische Rasse im dritten Reich festzusetzen sucht, der sich als den geheimen Lenker des Führers ansieht, welcher Rosenbergs "blendende" Ideen dann als seine eigenen verkauft. Gerade die Passagen über diesen fehlgeleiteten Charakter machen die Lektüre manchmal fast unerträglich und, da im Wechsel geschrieben, ist es regelmäßig eine wahre Wohltat in die Welt Spinozas zurückkehren zu können, um sich von dem rassistischen Gewäsch des anderen zu erholen und sich den klaren, aber sehr schwierig formulierten Sätzen des wahren Philosophen zu widmen. Auch wenn Spinoza sicher aus seiner Welt, persönlichen Entwicklung und Zeit verstanden werden sollte, ist er doch wie ein Diamant gegen diesen Rosenberg, der sich Spinozas Gedanken aneignen will, der jedoch scheitern muss, weil er dem einfach nicht gewachsen ist und sich lieber mit den vermeintlichen Fehlern der anderen beschäftigt, um nicht sein eigenes verfehltes Leben überdenken zu müssen. Dieser Rosenberg kommt mir in seinen Äußerungen manchmal vor wie ein Amokläufer, dessen Genie die anderen ja auch nie erkennen und der deshalb mit Methoden auf sich aufmerksam machen muss, die die Welt nicht tolerieren kann. 
Eine widerspenstige Lektüre, die ich nur kapitelweise zu lesen vermochte, die mich aber doch sehr beschäftigt und aufgewühlt hat. Rosenberg endete für seine Verbrechen in den Nürnberger Prozessen zum Tod durch den Strang verurteilt zurecht in einem Krematorium wie so viele seiner Opfer.