Rezension

Jeder verdient eine zweite Chance

Eine zweite Chance - Karin Alvtegen

Eine zweite Chance
von Karin Alvtegen

Helena hat sich gemeinsam mit ihrem Mann ihren Traum erfüllt. Sie hat sich den Bauernhof gekauft, in dem sie als Kind jährlich glückliche Ferientage verbrachte, während ihr Zuhause mit einer alkoholkranken Mutter geprägt war. Dafür ist die Familie aus Stockholm weggezogen. Nun soll der Bauernhof ein Hotel werden.

Helena merkte nicht, oder wollte es nicht merken, dass sich ihr Mann und ihre Tochter zurück nach Stockholm sehnten, worüber ihre Ehe zerbrach.

Nun steht sie da, allein mit ihrer Tochter, die sich mehr und mehr zurückzieht und einem Hotel, in dem noch lange nicht alles getan ist, um Gewinn einzubringen.

Anders Strandberg, ein Investmentbanker, kennt nur alles oder nichts. Ein Workaholic im wahrsten Sinne des Wortes. Dann verkauft er eines Tages seine Firma, ist jedoch im allgemeinen unzufrieden. Selbst die Jagd auf Raritäten, der er sich intensiv widmet, bringt nicht das nötige Zufriedenheitsgefühl.

Als er von der Gitarre Lucy hört, die ein Hinterwäldler besitzen soll, macht er sich auf den Weg, er muss sehen, ob es wirklich die Gitarre ist, die einst einer der Beatles gespielt hat und wenn ja, muss er sie kaufen, egal zu welchem Preis.

Auf dem Weg dahin bekommt er die Anwandlung, den Zufall entscheiden zu lassen, ob er Leben soll oder nicht, schließt im Auto die Augen und fährt mit dem Auto weiter. Seine nächste Wahrnehmung erlebt er im Krankenhaus ...

Anders, dem es nicht gelungen ist, die Gitarre zu kaufen, strandet im Hotel von Helena. Dort will er erst mal nichts anderes, als seine Ruhe haben.

Nach einem Gespräch mit Helena, die ihm erzählt hat, dass noch viele Arbeiten am Haus nötig sind, entscheidet er sich spontan, ihr zu helfen und lässt sich für 4 Wochen als Maler von ihr anstellen. Natürlich weiß Helena nicht, dass Anders alles andere als ein armer Schlucker ist. Ihm macht die Arbeit Spaß, er kommt zum nachdenken.

Helena befindet sich in einer Zwickmühle. Immer wollte sie für ihre Tochter eine andere Mutter sein als ihre eigene Mutter für sie gewesen ist. Zeit wollte sie sich für sie nehmen und immer für sie da sein. Die Realität sieht anders aus, denn ihr Hauptaugenmerk liegt im Hotel, das sie weiter aufbauen will und so entgleitet ihr ihre Tochter.

Ihre ehemalige Freundin aus Kindertagen Anna-Karin hilft ihr, wenn Not am Mann ist. 

Briefe ihres getrennt lebendes Mannes, der inzwischen eine andere hat, ignoriert sie, wie auch Anrufe und Mails. Alles entgleitet ihr, ihre Tochter hält heimlich Kontakt zu ihrem Vater.

Helena und Anders sind zwei völlig zerrissene Menschen. Beide hatten eine schwere Kindheit hinter sich. 

Anders' Mutter starb, als er 7 Jahre alt war und ihn und seinen lebensuntüchtigen Vater zurückließ. Anders fühlte sich für ihn verantwortlich, was für ein Kind in dem Alter alles andere als leicht ist.

Helena wuchs bei einer Alkoholikern auf und atmete auf, wenn sie ihre Ferien in Norrland verbringen durfte.

Jeder der beiden kämpft mit seinen eigenen Dämonen.

Aber nicht nur die beiden Protagonisten sind interessante Persönlichkeiten im Buch. Ebenso bereichern Anna-Karin und Verner die Geschichte.

Anna-Karin, eine Frau, die immer und mit allem unzufrieden ist und über andere nur schlechtes reden kann. Verquere Ansichten, das Leben betreffend, machen sie nicht unbedingt sympathisch. Trotzdem Helena das alles erkennt, kann sie nicht von Anna-Karin als Freundin lassen.

Verner, ein Eigenbrödler und als Sonderling im Ort bekannt, lebt allein in einem Häuschen im Wald. Er war für mich die größte Überraschung im Buch und auch trotz seiner Eigenheiten, ein sympathischer Zeitgenosse.

Ein Buch, das vieles beinhaltet. Einsamkeit, Liebe, Neid, Hoffnung, Voreingenommenheit sowie Bewältigung der Vergangenheit. Viele Probleme stehen an, einige werden gelöst oder zumindest auf den Weg gebracht.

Ein Buch zum Nach- und Mitdenken und einfühlsam geschrieben.

Es hatte anfangs ein paar Längen, wo ich am Text vorbeigelesen habe, aber nachdem die Geschichte mich gepackt hatte, konnte ich sie nicht mehr aus der Hand legen.