Rezension

Kagawa hat ein Händchen für außergewöhnliche Figuren

Unsterblich - Tor der Nacht - Julie Kagawa

Unsterblich - Tor der Nacht
von Julie Kagawa

Bewertet mit 3.5 Sternen

Im vergangenen Jahr gab es ein ganz besonderes Buch, das mich sehr überrascht hat. Überrascht, weil die Autorin mich mit ihren märchenhaften und seichten Geschichten bislang nie erreichen konnte. Trotz einiger Vorurteile und vielen Bedenken ließ ich mich auf Julie Kagawas düstere Vampir-Reihe ein und begab mich in „Unsterblich – Tor der Dämmerung“ in ein atemraubendes Leseabenteuer. Auch nach dem Lesen konnte ich diese Geschichte und ihre unfassbar guten Ideen, nicht gänzlich loslassen. Nach fast einem Jahr erschien mit „Unsterblich – Tor der Nacht“ die Fortsetzung dieser Reihe.

Nach einer schrecklichen Seuche, die viele Menschen getötet hat, ist das Leben auf der Erde sehr schwierig geworden. Sie wird von Vampiren beherrscht, die die Menschen wie Vieh hinter Zäunen in ihren Vampirstädten halten. Hier kann man nur überleben, wenn man sich an gewisse Regeln hält und regelmäßig Blutzoll schuldet. Seitdem Allison eine schwerwiegende und alles verändernde Entscheidung für sich getroffen hat, sind diese Regeln, Verbote und das Leben, das von Unterdrückung und Angst geprägt wurde, nicht länger Bestandteil ihres Alltags. Doch eines hat sich für sie nicht geändert: der Wunsch sich ein Stück ihrer Menschlichkeit zu bewahren. Auch wenn Allison viele Bedrohungen und bittere Umstände dank ihrer neuen Fähigkeiten hinter sich lassen konnte, führt sie kein leichtes und unbeschwertes Leben. In „Unsterblich – Tor der Nacht“, dem zweiten Band dieser Reihe, muss Allison sich vielen neuen und schwierigen Herausforderungen und Bedrohungen stellen. Die Seuche, die vor langer Zeit alles Leben auf der Erde bedroht hat, ist erneut ausgebrochen und nur einer kennt die Wahrheit über den Ursprung. Kanin, Allisons Schöpfer.

Mit hohen Erwartungen und voller Neugier begann ich mit dem Lesen dieser Geschichte. Ich sehnte mich förmlich nach den zurückgelassenen Figuren und wollte wissen, wie dieses eher hoffnungslose Szenario weiter geht. Obwohl ein Jahr vergangen war, erinnerte ich mich an viele literarischen Figuren und wichtige Ereignisse. Das hat mir den Einstieg sehr erleichtert, auch dass Kagawa nahtlos dort ansetzte, wo sie im vorherigen Band mit ihren Erzählungen endete. Durch diese Umstände und dank eines sehr ausgereiften Schreibstils, konnte ich erneut in diese düstere und sehr atmosphärische Welt abtauchen.
Mit Allison war es wie mit einer Freundin, die man länger nicht gesehen hat. Sie hat sich kaum verändert und ich fühlte mich sofort wohl an ihrer Seite und lauschte ihren Erzählungen. Ihre Kämpfe sind dieselben geblieben und das Gefühl, ein Fremdkörper in dieser Welt zu sein, ihr ständiger Begleiter. Allison fühlt sich hin und her gerissen zwischen ihrem erwählten Schicksal und ihrer Vergangenheit, die sie nicht loslassen möchte. Immer darauf bedacht, nicht gänzlich ihre Menschlichkeit zu verlieren. Aber immer öfter treffen wir Leser jetzt auf den Vampir und erleben schauerliche Szenen, wenn das Monster in ihr nach Nahrung lechzt.   

 „Und doch, trotz der Schmerzen und des tobenden Hungers realisiert ein Teil von mir, wie nah ich dem Abgrund bin, nur noch einen Schritt davon entfernt, sich dem Wahnsinn zu ergeben, wenn der Hunger letztendlich meinen Verstand zerschmettert und seinen Wirt unumkehrbar in ein brutales Tier verwandelt. Wahnsinn, der – einmal erlangt – nicht wieder abgestreift werden kann.“  Seite 211

Es gibt aber nicht nur bedrückende Passagen mit Allison. Ihre sehr unterhaltsamen inneren Monologe und ihr sarkastischer Humor sorgen an den richtigen Stellen für etwas Aufheiterung.

„Unsterblich– Tor der Nacht“ wirkte auf mich etwas ruhiger und nicht ganz so komplex wie sein Vorgänger. Viele Episoden wurden sehr intensiv und ausgedehnt besprochen und mit schier endlosen Dialogen bestückt. Auch wenn es einige aufregende Ereignisse und blutige Kampfszenen gab, wurden diese etwas kürzer abgehandelt. In diesem Buch liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Psychologie der sehr interessanten und authentischen Protagonisten. Kagawa lässt den Leser direkt in die Köpfe ihrer literarischen Figuren sehen. Aber Vorsicht! Es gibt viele sehr viele wandelbare Charaktere, die ihre Mitmenschen (Mitvampire) an der Nase herumführen und falsche Tatsachen vortäuschen. Auch wenn Julie Kagawa mich mit ihrem Händchen für außergewöhnliche Figuren begeistern konnte, vermisste ich etwas Spannung in der Handlung und leider stellte sich das Gefühl ein besonderes Buch zu lesen bei mir nicht ein. Vielleicht kann sie es mit dem nächsten Buch wieder heraufbeschwören.