Rezension

Kinderkrimi in Swasiland

Thabo. Detektiv & Gentleman. Der Nashorn-Fall - Kirsten Boie

Thabo. Detektiv & Gentleman. Der Nashorn-Fall
von Kirsten Boie

Bewertet mit 4 Sternen

Thabo lebt in Swasiland, dem kleinen Königreich mitten in Südafrika, dessen absolutistischer Herrscher durch seine Verschwendungssucht bekannt wurde. Swasiland hat die höchste Aidsrate der Welt. Die Waisen der vielen Aidstoten werden von ihren Großmüttern oder ihren – oft überforderten - Geschwistern aufgezogen. Auch Thabo ist Aids-Waise. Er lebt bei seinem Onkel Vusi, der als Wildhüter einer Gästefarm Safaris für Touristen durchführt. Für seine Unterkunft bei Onkel Vusi arbeitet Thabo mit auf der Gästefarm. In der Realität haben Menschen wie Onkel Vusi 16-Stunden-Tage, so dass man sich als erwachsener Leser hier fragt, wie lange die Männerwirtschaft von Onkel und Neffe wohl gut gehen wird. Thabo ist mit dem weißen Mädchen Emma befreundet, deren Großtante Agatha als einer der letzten Vorposten des britischen Empire britische Lebensart pflegt. Agathas britischer Vater war Rinderfarmer und wie viele weiße Familien Südafrikas leben Emmas Eltern inzwischen vom Tourismus.

Die Miss-Marple-Filme, die Thabo mit Miss Agatha gemeinsam ansieht, haben sein Interesse am Detektiv-Spielen geweckt. In so altväterlicher Art, dass man sich den Jungen wie einen Zirkusdirektor mit Goldknöpfen und Zylinder vorstellt, spricht er Kirsten Boies Leser verschnörkelt mit „meine Damen und Herren an“. Nicht nur seit Emma im Internat ist, hat sich die Freundschaft zwischen den Kindern verändert; auch Thabos Freundschaft mit dem Jungen Sifiso leidet zunehmend unter Sifisos Eifersucht auf Miss Agatha und Emma. Sifiso und Emma möchten jeder gern Thabos bester Freund und Assistent sein. Sifisos Kindheit war mit dem Tod seiner Eltern beendet; er ist nun allein für seine jüngeren Geschwister verantwortlich. Sifisos Lebensbedingungen zeigen, dass Elektrizität in einer einfachen Hütte im südlichen Afrika so wenig selbstverständlich ist wie ein regendichtes Grasdach. Nicht alle Kinder werden jeden Tag satt. Wie lange wird der Junge seine Verantwortung für die jüngeren Geschwister überhaupt allein tragen können?

Thabo und seine Freunde sind als Spürnasen gefragt, als ein Nashorn wegen seines wertvollen Horns gewildert wird und Onkel Vusi als Täter in Verdacht gerät. Da Vusi nicht gerade der schnellste Denker ist, wäre er ohne Thabos Unterstützung aufgeschmissen. Um Vusis Unschuld zu beweisen, muss Thabo Spuren sichern und ermitteln, wer ein Motiv und wer die Gelegenheit zur Tat hatte. Sein Miss-Marple-Wissen aus alten Schwarz-Weiß-Filmen muss auf die Verhältnisse in Swasiland herunter gebrochen werden. Doch aus dem Abenteuer wird schnell Ernst. Nicht jeder Erwachsene ist vertrauenswürdig und manches Urteil der jungen Detektive erweist sich als vorschnell.

In einen für ein jugendliches Publikum sehr exzentrisch wirkenden Rahmen alter Miss-Marple-Filme setzt Kirsten Boie einen für die beteiligten Kinder nicht ungefährlichen Fall von Wilderei. Die Figuren und ihre Beziehungen zueinander sind sehr liebevoll und realistisch gezeichnet. Allein die Miss-Marple-Thematik, die Erwachsene evtl. komisch finden könnten, finde ich Kindern von heute schwer vermittelbar, unabhängig davon ob das Thema Afrika für sie nun Neuland ist oder sie selbst bereits in Swasiland gewesen sind. Für Thabos Zirkusdirektor-Pose gibt es zumindest im ersten Band noch keine Auflösung, inzwischen wurde die Serie fortgesetzt. Die Vermittlung der Lebensbedingungen von Aids-Waisen finde ich dagegen kindgerecht, unaufdringlich und frei von populären Klischees „armer Kinder in Afrika“. Kirsten Boie gelingt es hier mit wenigen Sätzen, das Unbegreifliche begreiflich zu machen. Hilfe für Sifiso wird es langfristig nur durch Hilfe von außen geben.

Ein spannender Kinderkrimi mit schrulligem Humor für Leser ab 10, der mitten zwischen Schlangen, Fledermäusen und Raubtieren spielt.