Rezension

Kindheitserinnerungen

Die Welt war eine Murmel -

Die Welt war eine Murmel
von Herbert Dutzler

Bewertet mit 4.5 Sternen

„...Eine untergegangene Welt, dachte er seufzend. Und anstatt zügig weiter auszumisten, setzte er sich auf Mamas abgewetztes Sofa und hing Erinnerungen nach...“

 

Beim Ausräumen der mütterlichen Wohnung fühlt sich Siegfried zurückversetzt in die Jahre seiner Kindheit. Ich darf ihn als Leser bei diesem Blick in die Vergangenheit begleiten.

Der Autor lässt mich in seinem abwechslungsreichen Roman in eine Zeit eintauchen, die erst wenige Jahrzehnte zurückliegt und uns doch so fern erscheint.

Der Schriftstil passt sich den Verhältnissen an. Dabei besteht jedes Kapitel aus drei Aspekten. Es beginnt mit einer kurzen Erinnerung beim Ausräumen, lässt dann den Jungen Siegfried zu Wort kommen und vergleicht – kursiv gesetzt – immer mal wieder zwischendurch mit dem Heute und Jetzt.

Siegfried lebt mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester in einem kleinen Ort in Österreich. Seine ersten Erinnerungen führen ihn zurück in sein 10. Lebensjahr und die Urlaubsreise nach Italien. Hier gibt es viele humorvolle Szenen. Das wird sich später nicht so fortsetzen.

 

„...Das Meer ist blau und unendlich. So etwas habe ich noch nie gesehen. Von diesem Moment an weiß ich, dass ich einmal am Meer wohnen möchte...“

 

Es gibt erstaunlich viele Vorurteile. Gleichzeitig fällt auf, dass politische Themen bei der Erziehung keine Rolle spielen. Der Großvater lebt gedanklich noch im Dritten Reich und Siegfried wurde nie erklärt, warum dem Vater sein Name (Adolf) peinlich ist.

Gewisse Sätze bei der Kindererziehung rufen Erinnerungen wach, so die Tatsache, dass man grundsätzlich solange sitzen bleiben musste, bis man aufgegessen hatte.

Klassisch war ebenfalls die Rollenverteilung in der Familie.

 

„...Alles, was mein Papa in der Küche tut, ist, sich ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Ich glaube, er hat noch nicht mal eine Semmel entzweigeschnitten, seit er mit meiner Mutter verheiratet ist...“

 

Siegfried kommt entgegen dem Willen des Vaters aufs Gymnasium. Dort wird er gemobbt. Er hat etwas Übergewicht und ist in vielen Fächern seine Klassenkameraden voraus. Auch dass sich Siegfried für Kochen und Backen interessiert, ist dem Vater unheimlich.

Es sind die vielen kleinen Szenen und Erinnerungsschnipsel, die das Buch zu etwas Besonderen machen und eine längst vergangene Zeit wider aufleben lassen.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Mit einigen der letzten Sätze möchte ich meine Rezension beenden.

 

„...Seltsam, dachte er. Wenn die Erinnerungen in allen Details wieder auflebten, spielten sich immer die Missgeschicke in den Vordergrund, das, was eben nicht glatt gelaufen war...“