Rezension

komplexer Krimi um Sektenmitglieder, der zu langsam in Gang kommt

Kalter Sturm -

Kalter Sturm
von Anne Nordby

Bewertet mit 3 Sternen

Als Ermittler der länderübergreifenden Sondereinheit Skanpol  hatte Tom Skagen im dritten Band noch mit den Folgen einer Jahre zurückliegenden PTBS zu kämpfen. Um ihn nach einem Vorfall in der JVA Tegel vor der Rache der rechtsradikalen "Åsgards Søner" zu schützen, soll er aktuell  in einem Safe House in Sicherheit gebracht werden. Doch ein neuer Fall kommt dazwischen, für den Toms schwedische und deutsche Sprachkenntnisse benötigt werden. In Seyðisfjörður im Nordosten Islands ist ein Fünfjähriger in einem Lavafeld verschwunden, das zu gefährlich ist, um es mit Suchhunden zu betreten. Die Einheimischen haben die  Gegend durch den Vulkanausbruch der 80er Jahre noch in unguter Erinnerung, berichtet der isländische Ermittler Bjarni. Jonas deutsche Familie verbringt dort direkt am Lavafeld gemeinsam mit einer befreundeten Familie einen Ferienaufenthalt Arbeit-gegen-Unterkunft bei Schafzüchtern. Auf der abgelegenen „Zwergen“-Halbinsel gibt es nur drei Höfe, auf zweien ist jeweils eine der Besucher-Familien untergebracht. Bisher hatten die isländischen Gastgeber sich mit ihren Gästen stets gut verstanden. In dieser Saison wirkt die Stimmung jedoch gereizt, weil die Gäste in Norddeutschland einer Sekte angehören, in der strenge Hierarchie, Bespitzelung und Denunziation zum Geschäftsmodell gehören. Von befreundet kann keine Rede sein. Jonas Verschwinden lässt Konflikte eskalieren, die offenbar auch vor den traditionell an Elfen glaubenden Gastgebern nicht haltmachten.

Tom arbeitet mit den isländischen Kollegen Halla und Bjarni zusammen; besonders Bjarni erweist sich als unentbehrlicher Dolmetscher für die lokale Sitte, die Elfen nicht zu verärgern. Als Jonas Mutter Wiebke Brandt tot in einem vulkanischen Pool gefunden wird, hätte außer ihrer Tochter Pia, mit der sie heftige Auseinandersetzungen hatte,  nahezu jede Figur ein Mordmotiv gehabt. Durch einsetzenden Schneefall abgeschnitten und durch Toms starke Erkältung wenig handlungsfähig, sortiert das Team Verknüpfungen, Motive und Beweismittel. Ein brutaler Showdown katapultiert Tom schließlich wieder zurück in seine Welt von Maulwürfen unterwanderter Polizeisysteme.

Mit insgesamt 4 Familien und Verbindung zu weiteren Figuren bietet „Kalter Sturm“  einen anspruchsvollen Plot, der jedoch durch unnötige Längen  verzögert wird. Die Figurengestaltung wirkt auf mich klischeehaft bis reißerisch überzeichnet. Konflikte zwischen Eltern und  heranwachsenden Kindern, zwischen Ehepartnern und innerhalb der Sekte sind leicht nachzuvollziehen und benötigen keine erklärende Verbalisierung nach nahezu jedem Blick in die Emotionen einzelner Personen. Auch Toms Angewohnheit, jedes Detail, jede Aussage in Gedanken zu bewerten und zu kommentieren, bremst die Spannung unnötig aus. Insgesamt sollte Anne Nørdby ihrem Plot mehr zutrauen und Situationen nicht zugleich zeigen und von ihren Figuren bewerten lassen.