Rezension

Komplexes Beziehungsgefüge

unbekannt verfahren
von Alicia Jordan

Bewertet mit 4 Sternen

„...Maddy ist nicht frei, das erkenne ich jetzt. Sie ist eine Getriebene, die ohne Halt durch die Gesellschaft taumelt, die mit ihr nichts anzufangen weiß...“

 

Sophie wird von ihrem Mann mit der Nachricht überrascht, dass er Maddys Kind in seine Familie aufnehmen will. Vor sieben Jahren war Julian in Maddy verliebt. Das Kind ist allerdings erst vier Monate alt und nicht von Julian. Sophie lehnt ab. Am nächsten Morgen ist sie verschwunden. Sie hat nichts mitgenommen.

Der Fall wird Paul Singer übertragen. Auch er war in die Geschehnisse vor sieben Jahren involviert. Außerdem erscheint Nina Hansen auf der Bildfläche. Die Kriminalkommissarin wurde nach Steinfurt versetzt und ist gerade umgezogen.

Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Die Geschichte lässt sich gut lesen, erschließt sich aber in letzter Konsequenz erst am Ende des Buches.

Im Buch findet der Leser drei Schriftarten. Die normale Schrift erzählt das aktuelle Geschehen, die etwas fetter und kleinere Schrift beinhaltet die Ereignisse vor sieben Jahren und ein kursiver Teil gibt Gedanken von Sophie wieder.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Dazu dienen weniger Worte, sondern ihr Verhalten.

Vor sieben Jahren waren Julian, Paul und Maddy sowie ein weiterer Begleiter mit einer Gruppe Kinder gen Frankreich unterwegs. In einer Nacht nutzt Maddy die Pause des Busfahrers, setzt sich ans Steuer und fährt mitten in einen Wald. Was für sie ein Abenteuer war, entwickelt sich zum Alptraum. Hinzu kommen die komplizierten Beziehungen zwischen den Erwachsenen. Nur Paul und Sophie zeigen eine Spur von Verantwortungsbewusstsein. Nun scheint die Vergangenheit die Protagonisten eingeholt zu haben.

Nina Hausen ist in ihrem Beruf gut. Dafür ist sie als Ehefrau und Mutter eine Katastrophe. Sie fühlt sich durch die Familie eingeengt und nutzt jede Möglichkeit, den häuslichen Pflichten zu entfliehen.

Mit Maddy und Nina hat die Autorin zwei außergewöhnliche Charaktere geschaffen, deren Lebenswege zwar völlig anders verlaufen, die aber erstaunlich viel gemeinsam haben. Beide sind ichbezogen und können gegenüber anderen kaum Empathie aufbringen. Es zählt nur ihr Ziel und ihr Wollen.

Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Sprachliche Höhepunkte sind für mich vor allem einige der Dialoge. Dazu gehört das Verhör von Maddy durch Nina, Ninas Auftreten beim ersten Kindergartentag der Tochter und die Gespräche zwischen Paul und Julian. Gerade diese Szenen sagen unheimlich viel über die psychischen Probleme der Protagonisten, ihr Denken und ihre Einstellungen aus. Obiges Zitat stammt von Sophie. Sie hatte vor sieben Jahren ein letztes Gespräch mit Maddy.

Das Cover mit dem Tisch , auf dem Stift, Handy und ausweise liegen, wirkt geheimnisvoll.

Das Buch hat mir gut gefallen. Am Ende bleibt kaum ein Frage offen, die sich während des Lesens gestellt hat.