Rezension

Kopfkino aus Paris

Viviane Élisabeth Fauville - Julia Deck

Viviane Élisabeth Fauville
von Julia Deck

Julia Deck zieht den Leser unmittelbar ins Geschehen hinein. Man hat wirklich das Gefühl, durch die Straßen von Paris zu hetzen. Das Beunruhigende daran, man weiß nicht, was an der nächsten Station passieren wird. Man ahnt irgendetwas.

In den Mittelpunkt ihres ersten Romans stellt Julia Deck eine Frau Anfang 40. Verwöhnt durch Herkunft und beruflichen Erfolg, muss sie eine Demütigung nach der anderen verkraften. Vom Ehemann und Vater der gemeinsamen Tochter für eine jüngere Frau verlassen, hat sie sich in eine Wohnung an der Gare de l’Est zurückgezogen, eine Art provisorische Notunterkunft. Sie fürchtet, als Alleinerziehende nun auch im Job in die zweite Reihe gedrängt zu werden. Die regelmäßigen Besuche beim Psychoanalytiker, bei dem sie seit einem Schwächeanfall in Behandlung ist, steigern nur ihre Trauer und Wut.

Viviane Élisabeth Fauville tötet den Arzt. Als Alibi gibt sie ihre Mutter an, nur ist die seit Jahren tot und es dauert nicht lange, bis auch die Polizei dahinter kommt.

Unterdessen läuft Viviane aufgewühlt durch die Straßen von Paris und macht Verdächtige und Zeugen ausfindig, die möglicherweise ein Motiv hatten, den Psychoanalytiker zu töten. So bekommt der Tote eine Geschichte und man erfährt etwas über die soziale Schichtung in den verschiedenen Arrondissements der französischen Hauptstadt.

Vielleicht sollte ich besser sagen: “Sie” laufen aufgewühlt durch die Straßen von Paris. Denn Julia Deck spricht die Leser durchgängig an.  Ich bin aufgefordert, mir vorzustellen, dass ich in die jeweilige Rolle hineinschlüpfe, mich mal in Viviane Élisabeth Fauville, mal die Geliebte des ermordeten Arztes oder sein Frau hineinfühlen. Das Buch ist mit viel Tempo geschrieben und überrascht immer wieder mit neuen Wendungen.

Der Schluss driftet für meinen Geschmack etwas zu sehr ins Nebulöse. Aber dessen ungeachtet ist “Viviane Élisabeth Fauville” ein  Buch, das vor allem aufgrund seiner sprachlichen Gestaltung im Gedächtnis bleibt. Erschienen ist es im letzten Jahr in der Übersetzung von Anne Weber im Verlag Klaus Wagenbach und stand auf der Hotlist der unabhängigen Verlage 2013.