Rezension

Krasse Gegensätze...

Die Jungfrau -

Die Jungfrau
von Monika Helfer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Nach ihren Familienromanen widmet sich Monika Helfer literarisch nun ihrer Jugendfreundin - eine für mich oft eher befremdliche Person...

Gloria und Moni sind beste Jugendfreundinnen – die eine reich, die andere arm. Ein halbes Jahrhundert später begegnen sich die beiden Frauen wieder und Gloria beichtet ihr Lebensgeheimnis: Nie hat sie mit jemandem geschlafen. Früher kam Gloria immer gut an, war exzentrisch und schön, wollte Schauspielerin werden, war viel unter Menschen. Gloria und Moni wachsen auf im Mief der sechziger Jahre, sind konfrontiert mit Ehe, Enge und Gewalt. Wie wurden die beiden zu denen, die sie sind? (Verlagsbeschreibung)

Nach den drei Romanen über ihre Familie ('Die Bagage', 'Vati' und 'Löwenherz') widmet sich Monika Helfer literarisch nun ihrer Jugendfreundin Gloria.

Kennengelernt haben sich die beiden während der Schulzeit in den 1960er Jahren, nachdem Monikas Mutter gestorben war und das Mädchen mit ihren Schwestern zu ihrer Tante ziehen musste. Armselige Verhältnisse waren das da, sehr beengt die Wohnung, das Geld knapp. Wie gegensätzlich war da Glorias Welt – als Kind einer alleinerziehenden Mutter lebte sie in einer feudalen Villa mit einem riesigen Garten, alles wurde gleich mehrfach gekauft, nur um dann gleich wieder vergessen oder schlimmstenfalls weggeworfen zu werden. Krasser könnten die Gegensätze kaum sein.

Auch die Persönlichkeiten der beiden Mädchen und der späteren jungen Frauen – irgendwie schien da nichts zusammenzupassen. Die eine bodenständig und eine genaue Beobachterin, damals schon mit schriftstellerischen Ambitionen. Und die andere mit hochtrabenden Zukunfstplänen, den Kopf in den Wolken, mehr in einer Traumwelt lebend als in der Realität. Und der Eindruck, dass es Gloria war, die Monika brauchte, um Halt zu finden in dieser Welt.

Die Freundschaft der beiden empfand ich beim Lesen als etwas befremdlich. Ich konnte nicht so recht nachvollziehen, wie es dazu kam – und vor allem, weshalb die Freundschaft so lange hielt. Erst mit der Heirat von Monika und der Geburt der Kinder ebbte sie ab, bis sich die Frauen zuletzt vierzig Jahre lang nicht sahen. Erst als Gloria das Gefühl überkam, sie würde nicht mehr lange leben, ließ sie nach Monika rufen – an deren 70. Geburtstag. Immer noch in der alten Villa lebend, ließ sie bei Monika die alten Erinnerungen hochkommen.

Der Roman wird nicht zwingend chronologisch erzählt, oft sind es nur kurze Erinnerungsfetzen, manchmal längere Geschichten, die hier erwähnt werden. Bei all dem erschien mir Gloria wenig nett, eher skurril bis weltfremd. Dann wieder – trotz all des Reichtums – kam es unerwartet zu obszönen Ausbrüchen, die (bei dem ansonsten angenehm zu lesenden Schreibstil in meist einfachen Sätzen) doch aufstießen.

"Aber ich erinnerte mich. Gloria konnte sehr ordinär sein. Ihre Mutter auch. Als bräche manchmal bei ihnen ein Tourette-Syndrom durch. Dann lachten sie wie Hexen."

Durch die Schilderung der Freundschaft zwischen den so ungleichen Mädchen bzw. Frauen bekommt man auch einen kleinen Einblick in die Person und das Leben der Autorin selbst. Zudem reiht sich dieser Roman irgendwie auch in den Reigen der Familien-Trilogie ein und bietet damit eine nette Ergänzung dazu, in der auch bereits bekannte Personen immer mal kurz auftauchen.

Das Portrait der Freundin empfand ich letztlich doch als lückenhaft und eher unschmeichelhaft, aber es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sehr sich Gegensätze anziehen können. Für mich nicht der beste Roman der Autorin, vielleicht auch aufgrund der eigenwilligen Persönlichkeit von Gloria, die eine Annäherung (beim Lesen) nicht wirklich zulässt. Im "echten Leben" würde ich um solch eine Person vermutlich lieber einen großen Bogen schlagen.

Da darf man nun gespannt sein, ob es weitere Lebenserinnerungen gibt, die Monika Helfer zu einem Roman verarbeiten wird. Meine Lesebereitschaft wäre jedenfalls gegeben...

© Parden