Rezension

Kulinarische Wohlfühlatmosphären

Die Welt auf dem Teller -

Die Welt auf dem Teller
von Doris Dörrie

Bewertet mit 4 Sternen

Rezepte findet man in diesem Buch nicht, dafür aber eine Doris Dörrie, die sich erinnert und über das Essen schreibt, als umarme sie die Welt.

In diesem Jahr habe ich mich oft von Doris Dörrie inspirieren lassen. Zuerst durch ihr Buch „Leben, schreiben, atmen„, das zum Erinnern und zum anschließenden autobiografischen Schreiben einlädt, dann machte ich bei ihrem Workshop „Schreiben hilft! Dir auch?“ bei der Bürgerakademie mit und folgte ihr und ihren täglichen Schreibeinladungen #morningpages bei Instagram. Es war ein wenig so, als hätte ich mit Doris Dörrie und ihren Schreibeinladungen etwas, beziehungsweise jemanden gefunden, von dem ich nicht gewusst habe, dass ich sie gesucht habe. Dadurch, dass sie viele ihrer Erinnerungen sehr authentisch und sympathisch mit ihren Leserinnen und Lesern und somit natürlich auch mit mir teilt, hatte ich irgendwann das Gefühl sie sehr gut zu kennen. Als ich nun ihr neues Buch in Händen hielt, war es wieder ein wenig so, als nehme man in gemütlicher Atmosphäre gegenüber einer guten Freundin platz um sich von ihr ein wenig über Vergangenes erzählen zu lassen.

Das Buch fühlt sich an, als setze sie ihre Erinnerungen aus „Leben, schreiben, atmen“ themenbezogen fort. Sie erzählt von Reisen, wird manchmal philosophisch, geht zurück bis in ihre Kindheit, offenbart Geschichten zum Schmunzeln oder hat Nachdenkliches parat. Es ist ein wenig wie Nachhause kommen, nur dass sich in „Die Welt auf dem Teller“ alles um das Kochen, das Essen und die kulinarischen Genüsse dreht. Rezepte findet man in diesem Buch nicht, dafür aber eine Doris Dörrie, die sich erinnert und über das Essen schreibt, als umarme sie die Welt. Es geht um knusprige Brotkrusten, Eier von glücklichen Hühnern, familiäres Miteinander bei spanischer Paella, Innehalten bei grünem Tee mit japanischen Reisbällchen und Kindheitserinnerungen an Melonen-Momente. Essen und Kochen sind für sie Inbegriff von Lebensfreude und Genuss, Grund zur Dankbarkeit und Eigenverantwortung und ein Weg zum besseren Verständnis unserer selbst und der Welt, die uns umgibt. Neben den Wohlfühlmomenten gibt es auch kritische Gedanken in dem Buch, aber sie kommen nicht zu dogmatisch daher. Sie sind vielmehr ein Angebot, über manches außerhalb dieses Buches nochmal genauer nachzudenken.

Doris Dörries Exkursionen in die Welt der kulinarischen Genüsse sind nicht nur kurzweilig, sondern tatsächlich auch kurz und erstrecken sich selten über mehr als zwei bis drei Buchseiten. Die optische Gestaltung ist luftig und erlaubt Leerräume, aber auch eine Vielzahl leicht abstrahierter Illustrationen von Zenji Funabashi, denen meist Obst und Gemüse als Vorbild Pate stand. Das macht dieses knapp 200 Seiten umfassende und mit einem goldgelben Lesebändchen ausgestattete Büchlein zu einem Werk, das sich inhaltlich und optisch liebevoll gestaltet präsentiert. Sicherlich ein schönes Geschenk für jemanden, den man mittels dieses Buches dazu anregen möchte, selbst in kulinarischen Erinnerungen zu schwelgen. Denn es sind nicht so sehr die Geschichten dieses Buches, die einem im Gedächtnis bleiben, sondern vielmehr die Wohlfühlatmosphäre, die es zeitweise beim Lesen auslöst. Stellenweise ist dies ein Genuss, aber manchmal sind es leider auch nur eher hastig verschlungene Probierhäppchen, die einen aufgrund der Kürze der Texte nicht so richtig satt machen und mit einem leichten Hunger nach mehr zurücklassen.