Rezension

Kurz und gut, sehr gut

Gefangen - Neil Cross

Gefangen
von Neil Cross

Neil Cross kennengelernt habe ich über die Serie „Luther“, zu der er Drehbuch und einen tollen Roman verfasst hat.

Und ich kann an dieser Stelle gleich Entwarnung geben, für all diejenigen die Krimis nicht gar so blutig mögen, anders als das Cover vielleicht suggeriert ist dieser Thriller eher als unblutig einzustufen.

Die Geschichte ist recht schnell erzählt.

Kenny bekommt die unerfreuliche Diagnose, dass ein bösartiger Hirntumor seinem Leben in etwa sechs Wochen ein vorzeitiges Ende bereiten wird. Er beschließt mit gutem Gewissen abzutreten und erstellt eine Liste mit Menschen, bei denen er sich seiner Meinung nach noch entschuldigen muss.

Die Liste erweist sich praktischerweise als recht überschaubar: Seine Ex-Frau, ein Kind und ein Lebensmittelhändler, die er meint vor Jahren im Stich gelassen zu haben, und seine große Schulzeitliebe Callie .

Nummer zwei und drei sind recht schnell abgehakt.

Bei seiner Ex gestaltet sich die Sache schon schwieriger. Zwar haben die beiden sich ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis bewahrt und auch mit dem neuen Mann versteht Kenny sich vortrefflich, aber er findet einfach weder die richtigen Worte, noch den Mut ihnen von seinem baldigen Tod zu erzählen.

Er verschiebt seine Ex auf den Schluss und will sich erst um seine erste große Liebe kümmern.Doch das ist schwierig, denn er kennt nur ihren damaligen Namen und Wohnort.

Er bittet eine Freundin, ihm bei der Suche zu unterstützen und baut dabei auf ihre Erfahrung und Kontakte, die sie noch aus ihrer aktiven Zeit bei der Polizei hat. Und tatsächlich findet die heraus, dass Callie seit einigen Jahren vermisst wird. Ihr Ehemann Jonathan wurde damals vom jedem Verdacht freigesprochen, obwohl es einen dokumentierten Fall von häuslicher Gewalt gegeben hat.Kenny beschließt, sich Jonathan einmal näher anzuschauen und findet heraus, dass da tatsächlich irgendwas im Busch zu sein scheint. Hals über Kopf entwirft Kenny einen Plan die Wahrheit über den Verbleib von Callie herauszufinden, denn das ist er ihr seiner Meinung nach schuldig.

Was mich positiv überrascht hat, ist dass es sich bei „Gefangen“ um keinen klassischen Rachethriller handelt.

Bei dem Hammer auf dem Cover musste ich natürlich gleich an die üble Folterszene aus „Payback“ mit Mel Gibson denken. Aber dankeswerterweise mutiert Kenny nicht zu einem skrupellosen Monster. Zwar sind einige seiner Handlungen schon der „Nix zu verlieren“-Situation geschuldet und gerne wäre er ein skrupelloser Folterknecht, denn ihm läuft die Zeit davon, aber er ist und bleibt eben Kenny, der hin und hergerissen ist zwischen seinem Gewissen und seiner „Mission“.

„Gefangen“ ist ein ungemein spannender Thriller, voller überraschender Wendungen. Die Charaktere wachsen einem schnell ans Herz aber vor allem hab ich ihn als ungeheuer glaubhaft empfunden, toll.

Als Happy End Junkie hab ich noch zusätzlich die ganze Zeit auf die Nachricht einer Fehldiagnose gehofft…