Rezension

Läuterung

Auferstehung - Leo Tolstoi

Auferstehung
von Leo Tolstoi

Bewertet mit 3 Sternen

Nechljudow, ein gut gestellter Lebemann, wird als Geschworener ans Gericht berufen. Dort soll er das Urteil über eine diebische Dirne sprechen. Mit Erschrecken erkennt er in ihr das junge Mädchen, das er vor Jahren im Hause seiner Tante verführt hat. Katjuscha war (ohne sein Wissen) schwanger geworden, als Dienstmagd vertrieben worden, verlor ihr Töchterchen und musste sehen, wie sie ihr Leben organisiert. Nechljudow bekommt ein schlechtes Gewissen, vor allem weil er mit den anderen Geschworenen gemeinsam nicht deutlich genug im Prozess für ihre Unschuld eintrat und sie zur Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt wurde. Um den Fehler wieder gut zu machen, besucht er die unterschiedlichsten Juristen und kämpft für die Aufhebung der Verurteilung. Zudem beschließt er, Katjuscha zu heiraten, koste es, was es wolle.

Das Buch ist aufgeteilt in drei Teile. Im ersten wird die Geschichte von Nechljudow und Katjuscha vorgestellt. Im zweiten bereitet Nechljudow alles vor, um Katjuscha nach Sibirien zu begleiten und im dritten erfährt der Leser wie der Gefangenentransport nach Sibirien vor sich ging.

Im ersten Teil war ich von Tolstois ausführlicher Schreibweise noch recht begeistert: „Die Fürstin Sofja Wassiljewna hatte ihr sehr feines und sehr gutes Mittagessen beendet, das sie immer allein einzunehmen pflegte, damit niemand sie bei dieser unpoetischen Tätigkeit sehe.“ - Kapitel 26 - „… sah er, dass sowohl Sofja Wassiljewna wie auch Kollosow sich weder für das Drama noch für einander interessierten; wenn sie sprachen, so taten sie es nur zur Befriedigung des physiologischen Bedürfnisses, nach dem Essen die Muskeln der Zunge und der Kehle zu bewegen.“ - Kapitel 27.

Im zweiten Teil ließ meine Begeisterung sehr nach. Hier wurden so viele neue Figuren eingeführt, dass die Übersicht schwer fiel. Obwohl Nechljudow eine erstaunliche Entwicklung durchmachte, schlich sie nach und nach Langeweile ein. Tolstoi baute für meinen Geschmack zu viele Nebenschauplätze auf (Landverteilung, Bauernarmut, auch zahlreiche Gefangenenschicksale werden ausführlich behandelt). So wird der Fortgang der Geschichte nicht vorangebracht, sondern aufgehalten - und mein Interesse ausgebremst.

Tolstoi soll an diesem, seinem dritten und letzten Roman, mehr als zehn Jahre geschrieben haben. In der achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts befand er sich in einer großen religiösen und künstlerischen Krise, die in diesem Werk, das einen realen Hintergrund hat, seinen Ausdruck findet.