Rezension

Lebendig, anschaulich und surreal - überraschend und bezaubernd

Schlafanstalt für Traumgestörte - Karen Russell

Schlafanstalt für Traumgestörte
von Karen Russell

Bewertet mit 4.5 Sternen

Mit unbändiger Phantasie zaubert Karen Russell Welten aufs Papier, wo Wolfsmädchen in einem Umerziehungsheim zu wertvollen Gliedern der Gesellschaft zurechtgebogen werden, da verdient eine Familie ihren Lebensunterhalt mit Alligatorwrestling in einem Vergnügungspark, und orakelträumende Kinder werden von ihren Eltern in der Schlafanstalt für Traumgestörte abgegeben. Russells Geschichten aus den Sümpfen Floridas und den Inseln im Golf von Mexiko erzählen von Exzentrikern und Rastlosen. Nicht zuletzt geht es auch um Freundschaft und Initiation und uns wird auf souveräne Weise vorgeführt, wer wir sind und wie wir leben.

Aufmerksam geworden bin ich auf dieses Buch durch Ilke von Buchgeschichten. Neben ihrer Beschreibung, konnte mich auch das Cover neugierig machen. Mir gefällt die Farbgestaltung und inzwischen weiß ich, dass die eigenartig anmutende Zeichnung zur letzten Geschichte des Buches gehört.

Aber auch der Inhalt konnte mich überzeugen. Mit großem Einfallsreichtum werden hier 10 Geschichten auf jeweils etwa 30 Seiten erzählt. Sofort wird man in Situationen mitgenommen, in die man sich aufgrund der schönen Sprache und der bildhaften Beschreibungen gut einfinden kann. Auf den ersten Blick scheint es sich hierbei schonmal um mehr oder weniger alltägliche Umstände zu handeln, doch immer wandeln sich die lebendigen und anschaulichen Erzählungen früher oder später zu surrealen Geschichten, die einen bis zum Schluss mitnehmen.

Es handelt sich hierbei um intensive Kurzgeschichten, die ich nicht hintereinanderweg lesen konnte und wollte. Jede wirkte auf ihre Art und es machte mir Spaß nach dem Lesen jeder einzelnen inne zu halten und das Gelesene zu überdenken – meist mit einem Lächeln auf den Lippen, weil diese Kurzgeschichten zu überraschen und zu bezaubern wissen.

„Es ist einer jener seltenen Augenblicke, da die Luft derart von Erinnerungen knistert und duftet, dass die Welt der Phantasie und die Wirklichkeit sich zu überlappen scheinen.“ (S. 85)

Wer magischen Realismus mag, dem möchte ich den Erzählband „Schlafanstalt für Traumgestörte“ von Karen Russel empfehlen. Wenn man dem Buch etwas vorwerfen möchte, dann dass manche Geschichten zu kurz waren, weil sie von der Atmosphäre dazu einluden, endlos weiterlesen zu wollen.