Rezension

Lebensgeschichte und Historie

Und unter uns die Welt - Maiken Nielsen

Und unter uns die Welt
von Maiken Nielsen

Bewertet mit 4.5 Sternen

Schon seit er ein kleiner Junge ist, hat sich der Sylter Christian Nielsen gewünscht, mit einem Zeppelin zu fahren. Doch zunächst muss er Geld verdienen und verdingt sich als Seemann. Ob sein großer Wunsch jemals in Erfüllung gehen wird?

Lil Kimming lebt auf Hawaii und auch sie hat einen Wunschtraum, sie möchte über interessante und wichtige Dinge, die in der Welt geschehen, schreiben. Doch das ist gar nicht so einfach für eine Frau.

Die Zeppeline erobern den Himmel und befördern Post und Menschen. Mit zum Erfolg beigetragen hat Hugo Eckener, der 1929 mit „Graf Zeppelin“ um die Welt gefahren ist. Keiner ahnt, dass in naher Zukunft eine Katastrophe das Ende der Zeppelinära bedeuten wird.

Die Autorin erzählt die Geschichte ihres eigenen Großvaters und gleichzeitig über die Ära der Zeppeline, und lässt den Leser tief eintauchen in die Welt zwischen den beiden Weltkriegen, man erlebt hautnah den Börsencrash im Oktober 1929 mit, macht sich auf gleich zwei Reisen um die Welt, besucht neben Deutschland und den USA u. a. Brasilien, Japan und das Kap Hoorn, fiebert, leidet, fühlt mit den Protagonisten und schlägt am Ende aufgewühlt den Roman wieder zu. Maiken Nielsen ist ein Roman gelungen, prall gefüllt mit Leben, spannenden und gefühlvollen Momenten und jeder Menge historischer Ereignisse, die den Leser anregen, sich weitergehend damit zu beschäftigen.

Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, so dass man ein recht umfassendes Bild bekommt. Die Geschichte setzt sich mehr oder weniger aus Momentaufnahmen zusammen, oft liegt eine recht lange Zeit dazwischen – so erzählt die Autorin vor allem historisch Wesentliches, garniert mit den Lebensereignissen Christians.

Besonders wird der Roman dadurch, dass der Hauptprotagonist, Christian Nielsen, tatsächlich gelebt hat, sogar ein Verwandter der Autorin war. Seinen Part liest man daher mit ganz eigenen Gefühlen. Schade ist nur, dass ein anderer, wesentlicher, Erzählstrang fiktiv ist. Das erfährt der Leser, wenn er sich nur auf den Roman beschränkt, erst mit dem Nachwort. Surft man auf die Homepage der Autorin, erfährt man die Wahrheit auch dort. Ich hatte im Laufe der Geschichte schon so eine Ahnung und habe nach der Auflösung gesucht, so dass ich am Ende des Romans nicht enttäuscht wurde, was, wie ich weiß, anderen Lesern passiert ist. Ich habe lange überlegt, ob es mich stört, dass in einer wahren Lebensgeschichte etwas Wesentliches fiktiv ist, bin aber zum Schluss gekommen, dass es mich nicht allzu sehr stört, da dieser Erzählstrang die Geschichte bereichert, da er aber andererseits öfter aufgesetzt und nicht immer glaubhaft wirkt, hätte man ihn vielleicht auch in anderer Form unterbringen können/sollen. Gut wäre vielleicht auch gewesen, schon früher darauf hinzuweisen.

Gewünscht habe ich mir beim Lesen des Öfteren ein Personenregister, das vor allem die historischen Persönlichkeiten näher vorstellt, ein Glossar, das u. a. die nautischen Begriffe erklärt, und eine Karte, auf der ich (nicht nur) die Weltreisen nachvollziehen kann. Schade, dass nichts davon enthalten ist, gerade diesen Roman hätten die genannten Boni sehr bereichert. Das Nachwort der Autorin ist interessant, aber recht kurz und beantwortet nicht alle Fragen, die sich beim Lesen ergeben. Mich hätte z. B. sehr interessiert, was mit Maria geschehen ist.

Trotz meiner Kritikpunkte hat mir der Roman sehr gefallen, Maiken Nielsen erzählt eine interessante, gut recherchierte Geschichte aus einer ganz besonderen Zeit, die mich sehr gut unterhalten und emotional berührt hat. Ich vergebe 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung.