Rezension

Lebensnahe Erzählung über 3 Generationen einer Frieseur-Familie, geprägt von harter Arbeit, Vertreibung und Neubeginn

Goldener Boden -

Goldener Boden
von Ulrike Dotzer

Bewertet mit 5 Sternen

Spannende 3-Generationen-Familiengeschichte

In ihrem Roman    ,, Goldener Boden "  erzählt die Autorin  Ulrike Dotzer die Geschichte einer Familie über 3 Generationen hinweg. Sie beschreibt damit auch die Vergangenheit ihrer eigenen Familie,  die 1945 aus Pommern ( heutiges Polen ) vertrieben wird , zunächst in Thüringen und anschließend in Kiel Zuflucht und eine neue Heimat fand. 

Der Roman,  welcher in 2 Teile aufgeteilt ist, beginnt 1896, als Gustav Hirsch als 19 jähriger nach Amerika auswandert , um nicht in Kaiser Wilhelms II dienen zu müssen.  Er hofft dort sein Glück zu finden und Geld zu verdienen.  In New York angekommen  muß er feststellen,  daß es alles andere als einfach ist,  dort Fuß zu fassen.  Doch er strengt sich an und findet schließlich Arbeit und ein wenig Familienanschluss bei einem deutschen Friseur.  Er erlernt dieses Handwerk,  hat Talent und Freude daran. Nach 3 Jahren kehrt er zurück nach Stolp,  da seine Mutter nach dem Verlust von 2 Söhnen seine Hilfe benötigt.  

Im zweiten Teil geht die Geschichte mit einem Zeitsprung von fast 50  Jahren mit den Nachkommen Gustavs weiter. Seine Tochter Clara und ihre Töchter sind hier die Hauptprotagonisten, während er eine Nebenrolle des Erzählstranges übernimmt.  Es gibt aber immer wieder Rückblicke in ,, seine " Zeit. 

Die Familie wohnt in Stolp und Clara ,  die jüngste Frieseurmeisterin in Pommern, führt den väterlichen Friseursalon. Mit dem Einmarsch der Russen verändert sich alles. Clara flieht mit den 4 Töchtern nach Thüringen,  ihr Mann Rudolf gilt als vermisst, . Sie baut sich dort mit ihrer Tätigkeit als Friseurin eine bescheidene  Existenz auf. Als Rudolf zurückkehrt,  wird seine SS-Vergangenheit verschwiegen,  um keine Schwierigkeiten zu bekommen.  Als sich die sowjetische Besatzungszone zu einem Staat mit Einschränkungen und Zwängen entwickelt,  wagt die Familie einen Neuanfang in Kiel. Nicht einfach , gerade für die Töchter, die gerade Fuß gefasst haben. In Kiel kann die Familie sich mit viel Fleiß und Anstrengung, ein florierendes Frieseurgeschäft, später sogar mit Filialen, aufbauen. Hsndwerk hat ,, Goldenen Boden " .Leider ohne Rücksicht auf die Wünsche und Träume der Töchter. . 

Ulrike Dotzer schafft mit ihrem Werk einen sehr spannenden Einblick in ihre Familiengeschichte.  Äußerst realistisch, bildgewaltig und authentisch beschreibt sie die Lebensverhältnisse sowohl in New York 1896 als auch  in den Kriegsjahren in Stolp. Die anschließende Flucht nach Thüringen so bildhaft beschrieben,  daß ich sofort Bilder vor Augen hatte und die Sorgen,  Angst , Nöte und den Hunger spüren konnte. Die Anfeindungen den Vertriebenen gegenüber sind fühlbar. Die Gedanken  und Gefühle  von Gustav,  Clara und den Töchtern sind sehr gut dargestellt 

Alle Geschehnisse sind sehr genau recherchiert.  Es gibt zahlreiche Fußnoten,  die im  Anhang ausführlich erklärt werden. Das gefällt mir außerordentlich gut. 

Zu beiden Teilen gibt es Personenverzeichnisse , sowie zum zweiten Teil eine Karte mit den Handlungsorten von 1935 bis 1956. So hat der Leser stets einen guten Überblick.  Besonders gut haben mir auch die Karten von New York und Stolp im Buchdeckel gefallen.  

Der Schreibstil ist sehr flüssig und bildhaft.  Ich habe die Geschichte mit Spannung verfolgt und konnte mich kaum von  ihr lösen.  Die Autorin hat mit ihrem Roman über 3 Generationen die Geschichte vieler Familien dieser Jahre , die von Vertreibung,  Flucht und Neubeginn geprägt wurden, aufleben lassen und greifbarer gemacht.  

Die Charaktere sind wunderbar beschrieben,  mir persönlich sympathisch.  Besonders Gustav zunächst als junger Man  , später als zurückhaltender, liebevoller Vater und Großvater,  ist mir ans Herz gewachsen.  Er hat viel durchmachen müssen.  Nur Rudolf ist mir aufgrund seiner Tätigkeit unsympathisch,  aber auch solche Menschen gab es . Das gehört zu unserer Geschichte dazu. 

Ich bin selbst Kielerin und konnte alle Wege der  Familie in der Stadt nachvollziehen.  Auch die fast komplette Zerstörung und der Wiederaufbau ist absolut authentisch beschrieben.  

Das Buchcover ist passend zum Titel und Inhalt gewählt und sehr schön gestaltet.  

Mir hat das Buch sehr gut gefallen  und ich empfehle es von ganzem Herzen weiter, da es ein äußerst gut und lebensnahes Bild der deutschen Geschichte zeichnet. 

Ich danke dem Europaverlag und Ulrike Dotzer für das Rezensionsexemplar. Es hat keinen Einfluss auf meinen Leseeindruck genommen.