Rezension

Leider langatmig

Die Geister schweigen - Care Santos

Die Geister schweigen
von Care Santos

Der Klappentext konnte mich sofort fesseln, die Geschichte selbst hat dies leider über 500 Seiten nicht geschafft, was eine unerwartete Enttäuschung war. Ein Buch mit grossem Potential, das sich leider nur als heisse Luft herausstellte...

Zuallererst sind es sehr viele Protagonisten und somit sehr viele Namen über viele Generationen, mit denen der Leser erst einmal warm werden muss. Dass die "heutige" Violeta wie eine ihrer Vorfahrinnen heisst, unterstützt die Orientierung des Lesers überhaupt nicht, wirkt sogar verwirrend. Allgemein sind die Zeitsprünge sehr willkürlich, obwohl Jahreszahlen genannt werden und zwischen "heute" und "damals" und Briefen bzw. E-Mails jeweils die Schriftart gewechselt wurde (was mir aber auch erst spät auffiel). Die Zeitsprünge geschehen mal häufig, mal lange nicht und kommen leider auch während der gleichen Generation vor und springen nicht nur von "heute" zu "früher". Der Stammbaum der Familie Lax und eine übersichtliche zeitliche Chronik helfen zwar, verraten aber schon viele wichtige Punkte der Geschichte.

Sprachlich ist der Roman gut geschrieben, was hier jedoch der Übersetzerin (vom Spanischen ins Deutsche) angerechnet werden muss. Denn der Lesefluss läuft angenehm und die Wortwahl ist vielseitig und gut gewählt. Das Talent, eine Geschichte zu erzählen leidet bei der Autorin jedoch daran, dass der rote Faden etwas wirr ist und es scheint, als hätte sie vor lauter Ideen und Beschreibungen die eigentliche Handlung etwas verloren. So wird die Spannung mit der unheimlichen Entdeckung angefacht, dann aber lange nicht (oder nur scheinbar) aufgeklärt und es kommt wie es kommen musste: 100 Seiten Einführung, 300 Seiten Blabla und auf den letzten 50 Seiten das Ereignis, das Geheimnis, die Auflösung oder wie man es auch nennen möchte. Deswegen zieht es sich leider in der Mitte sehr in die Länge.

Ein weiterer Punkt, der mir missfiel, war die Erzählperspektive. So wird der Leser im "heute" mit Violeta geführt, im "damals" mit einer unbekannten Erzählstimme (oder die im Titel erwähnten Geister), dazwischen kommen Briefe und E-Mails und manchmal spricht die Autorin, als würde sie mit den Lesern ein Theaterbild beschreiben. 

Ein Beispiel: "Wir könnten uns die Freiheit nehmen und die Seite [der Tür] wählen, die den Schaulustigen verboten ist. Wir halten jedoch eine Geburt für kein Schauspiel, das heutzutage irgendjemandem gefällt oder überrascht, also wenden wir uns - mit Verlaub - der entgegengesetzten Seite zu. Nicht die Hausangestellten, die an ihren Fingernägeln kauen [...] Wir bewegen uns etwas weiter weg, zum Flurende, den Zimmern, die auf den Patio zeigen und die Teresa an dem Tag bezog, an dem sie die neue Señora des Hauses wurde [...Zeitsprung]." (S. 443/444)Das Einbeziehen des Lesers ("wir") empfand ich persönlich eher als befremdlich und las es ziemlich widerstrebend.

Dennoch wurde viel recherchiert und so spielen die fiktiven Charaktere in einer Zeit, die mit historischen Ereignissen verknüpft wurden. Leser, die sich für den zweiten Weltkrieg in Barcelona interessieren, werden zwar nur mit Kleinigkeiten versorgt, dürften sich aber sicher wohl bei der Lektüre fühlen. Ein weiteres starkes Element im Roman nimmt die Malerei ein.

Allgemein sind die Protagonisten und die Kulisse mit viel Arbeit gezeichnet und die Autorin hat sich sichtlich Mühe gegeben. Ihr Erzählstil hat mir persönlich jedoch nicht zugesagt und die Geschichte konnte mich nicht packen. 
 

2/5 Sterne