Rezension

Leider nicht mein Geschmack

Die Anomalie -

Die Anomalie
von Hervé Le Tellier

Bewertet mit 2 Sternen

Das Dunkel ist der Wissenschaft stets vorzuziehen

„Ich rate davon ab, ihnen zu sagen, dass von ihnen allen bereits irgendwo ein Doppel existiert und dass sie auf der Erde nichts zu suchen haben.“

Inhalt

Turbulenzen in schwindelerregender Höhe sorgen dafür, dass die Passagiere einer Boeing 787 auf dem Flug Paris – New York, wahnsinnig froh sind, diesen Trip überstanden zu haben und sicher landen zu können. Problematisch ist nur die Tatsache, dass ihr Flugzeug, das identische Pendant bereits am 10. März gelandet ist, mit haargenau denselben Menschen, doch nun steht ein Datum Ende Juni im Kalender und die Passagiere aus dem Flug gibt es alle schon, nicht etwas als Doppelgänger, sondern in der Realität. Allerdings hat sich das Leben der März-Passagiere mittlerweile entsprechend verändert und von all dem wissen die Neuankömmlinge noch nichts …

Meinung

Auf diesen Roman bin ich auf Grund mehrerer positiver Leserstimmen aufmerksam geworden und tatsächlich verspricht die Story eine unterhaltsame, vielleicht auch mysteriöse Hintergrundgeschichte, die ich nur zu gern selbst entdecken wollte. Aber von meiner ursprünglichen Erwartungshaltung weicht der Roman schon im ersten Drittel ein ganzes Stück ab. Die drei inhaltlichen Schwerpunkte vermitteln eine sehr interessante Story, der ich rein lesetechnisch gern gefolgt bin, denn geschrieben ist das Buch durchaus unterhaltsam, manchmal gar abenteuerlich. Dafür fehlte mir gänzlich der Bezug zu einer nennenswerten Begebenheit. Denn einerseits wirkt die Erzählung sehr realitätsnah, andererseits irgendwie abgehoben und vollkommen illusionär nur weniger in Richtung Magie, sondern vielmehr durch diverse naturwissenschaftliche Theorien mit aberwitzigen Resultaten.

Hinzu kommt die sehr willkürliche und ausufernde Beschreibung der Protagonisten, die trotz ihrer zahlreichen Eigenheiten seltsam blass bleiben. Das mag daran liegen, dass es einfach zu viele Personen sind, die man hier als Leser vor und nach dem Unglück kennenlernt oder auch an ihren eigenartigen Wesenszügen und ihrer Interaktion. Gerade im zweiten Teil des Buches hat mich die Motivation zum Weiterlesen immer mehr verlassen, denn besagtes Unglück nimmt dann nationale Ausmaße an und wird sowohl als politisches Unding als auch als menschliche Katastrophe gehandhabt. In Regierungskreisen steht die Welt Kopf und sämtliche Wissenschaftler rätseln, was denn nun der tatsächliche Auslöser war und wie man damit umgehen sollte.

Etwas unterhaltsamer dann wieder der dritte Teil, weil man etwas aus dem Leben der nunmehr doppelt vorhandenen Personen erfährt – allerdings kratzt der Autor auch wieder nur an der Oberfläche und einiges aus dem ersten Teil hat sich mir so wenig eingeprägt, dass ich immer kurz nachdenken musste, wer denn nun welches Dasein hatte und mit wem in welcher Beziehung stand. Definitiv ein mühsamer Prozess, der mich mehr und mehr langweilte.

Fazit

Leider nur 2 Lesesterne, für diesen Roman mit guter Grundidee, der leider kaum Sympathiepunkte erhält. Am Ende bin ich irgendwie ratlos, welche Aussage, welchen Mehrwert dieses Buch für mich persönlich haben soll und ich finde leider keinen Ansatzpunkt. Möglicherweise wären all die philosophischen und wissenschaftlichen Bezüge besser vermittelt wurden, wenn ich starke Protagonisten vor Augen gehabt hätte oder irgendein verbindendes Element. Aber in Erinnerung bleibt mir nur ein immenser Medienrummel und die entsprechende Vermarktung von Menschen, die in eine wie auch immer geartete Situation geraten sind und sich mit langfristigen Folgen konfrontiert sehen. Das eine solche Katastrophe zum Politikum wird, kann ich noch nachvollziehen, allerdings erscheint mir diese Wirkung so unbedeutend wie vergänglich. Also hier sollte man weniger Augenmerk auf eine bewegende Story legen und sich vielleicht eher auf das Gedankenexperiment einlassen – meinen Geschmack konnte dieses Buch leider nicht treffen.