Rezension

Leider nichts Neues

Unser wirkliches Leben -

Unser wirkliches Leben
von Imogen Crimp

Bewertet mit 2 Sternen

Auf fast 500 Seiten begegnet dem Leser von „Unser wirkliches Leben“, geschrieben von Imogen Crimp, kaum etwas Überraschendes. Alles läuft nach dem bekannten Schema „junges Mädchen verliebt sich in einen älteren, natürlich reichen Mann und wird ausgenutzt“, ab.

Anna lebt in sehr einfachen Verhältnissen in London, um dort an einem renommierten Konservatorium Operngesang zu studieren und ihren Traum zu leben. Da ihre Eltern ihren Traum nicht für voll nehmen und sie auch sonst nur bedingt unterstützen, muss sie sich selbst über Wasser halten und gerät auch dadurch bei den anderen Studenten ins Abseits, die scheinbar alle aus wohlsituierten Familien stammen. So begegnet sie eines Abends bei ihrem Nebenjob in einer Jazz-Bar Max, einem älteren, wohlhabenden Börsenmakler. Und obwohl er scheinbar kein wirkliches Interesse an ihr hegt und sie sich auch nicht ernsthaft in ihn verliebt, schlittern die beiden in eine toxische Affäre, die Anna zunehmend belastet und sie an ihrem Wunsch, eine begnadete Opernsängerin zu werden, zweifeln lässt. Zwischen ihnen wird das unausgewogene Machtverhältnis immer deutlicher, auch weil Anna sich zunehmend finanziell von Max und von seinen Vorstellungen abhängig macht. Anna verliert sich so immer mehr selbst und ist daher auch dem anstrengenden Konkurrenzkampf am Konservatorium und den Herausforderungen ihres täglichen Lebens nicht mehr gewachsen. Letztlich muss sie sich entscheiden: ihr altes Leben oder die gefühlskalte Liaison.

Der Roman wird konsequent aus der Perspektive der leidenden Protagonistin erzählt, was den Leser vor eine Herausforderung stellt. Das fängt damit an, dass nicht deutlich wird, warum Anna Max so verfällt, zumal er ihr von Anfang an nicht guttut. Mantraartig wird wiederholt, dass es Anna nicht um sein Geld geht, das sie letztlich aber doch immer häufiger in Anspruch nimmt. Auch sein Charakter kann es nicht sein, denn er wird von Anna nur selten als sympathisch und liebenswert dargestellt. Jegliches Feuer zwischen den beiden fehlt ebenfalls. Warum Anna so an dieser Affäre festhält und sich ihm unterwirft, bleibt somit völlig offen und erscheint wenig plausibel.

Deutlicher wird, dass Crimp zeigen möchte, wie schwer es für junge Mädchen ist, allgemein ihre Träume und im Besonderen den von einer Opernkarriere zu verwirklichen. Anna muss sich daher vielen gesellschaftlichen Hindernissen (Armut, Abwertung der Kunst, Konkurrenz etc.), insbesondere dem Erwartungsdruck ihrer Mitmenschen, stellen. Dabei stehen Max‘ Erwartungen im diametralen Kontrast zu den Erwartungen ihrer anderen Bezugspersonen. Als literarisches Motiv erscheint das interessant, aber auch hier gelingt die Umsetzung nur bedingt, da Anna sich unentwegt beklagt. Die Schilderung ihres Leids nimmt einen Großteil des Textes in Anspruch und wiederholt sich stetig. Für Überraschungsmomente bleibt da wenig Raum. Lediglich das Ende kann als abweichend von der Lesererwartung bezeichnet werden. Aber auch dieses hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Letztlich habe ich diesem Roman nichts Neues abgewinnen können und empfand ihn als äußerst ermüdend. Selten habe ich mich so gelangweilt! Daher gibt es von mir leider keine Leseempfehlung!