Rezension

Liebe hinter Gittern...

Gerissen - Peter Abrahams

Gerissen
von Peter Abrahams

Bewertet mit 3.5 Sternen

Als die idealistische junge Schriftstellerin Ivy Seidel das Angebot bekommt, in einem Hochsicherheitsgefängnis für Gewalttäter nahe der kanadischen Grenze Schreibkurse zu geben, sagt sie sofort zu. Ivys »Schüler« sind ein Querschnitt durch das amerikanische Verbrechen. Einzig Vance Harrow fällt aus dem Rahmen, und die Storys, die er schreibt, sind beeindruckend gut. Offenkundig kreisen sie um den Raubmord in einem Spielkasino, für den Harrow zu 25 Jahren verurteilt wurde. Auf eigenartige Weise fasziniert, kommt Ivy zu der Überzeugung, dass der attraktive Mann unschuldig ist. Innerhalb weniger Tage verstrickt sie sich nicht nur in eine gefährliche Liebschaft, sondern auch in ein undurchdringliches Dickicht der Täuschung und Gewalt...

"'Es ist ein schlimmer Ort, Ivy', sagte er. 'Nur unheimliche Typen, Gefangene, Wachen, jeder. Böse ist eigentlich das richtige Wort.'" (S. 22)

Nicht jeder in Ivys Umfeld reagiert begeistert, als sie die Möglichkeit erhält, in einem Hochsicherheitsgefängnis Schreibkurse für interessierte Gewalttäter anzubieten. Doch das Geld als Aushilfe in einer Bar reicht hinten und vorne nicht, und eigentlich möchte Ivy in ihrem Leben etwas machen, das eher ihren Neigungen entspricht, wenn sie schon selbst als Schriftstellerin bisher keineswegs erfolgreich ist.
Sie ahnt nicht, was auf sie zukommt, als sie diesen Schreibkurs tatsächlich durchführt. Männer, die nichts mehr zu verlieren haben, versuchen sich auszudrücken, können aber ihre brodelnde Gewaltbereitschaft nur mühsam unterdrücken - und manchmal schaffen sie es auch nicht. So bekommt Ivy einen intensiveren Einblick in das Leben hinter Gittern als ihr lieb ist; trotzdem sagt ihr der Kurs immer mehr zu, denn es gibt dort einen wirklich talentierten Schreiber. Sie erkennt sein großes Potential und will dieses unbedingt fördern.

"Ein kleiner Tipp noch. Ihre Art, Leuten direkt in die Augen zu schauen? Hier drin absolut verboten." (S. 27)

Schnell ist Ivys Interesse an Vance Harrow geweckt, zumal er nicht nur gut schreiben kann sondern auch überaus attraktiv ist. Sie beschäftigt sich mit seiner Geschichte, seinem Fall - und kommt zunehmend zu der Überzeugung, dass er unschuldig hinter Gittern sitzt. Warum bloß hat sich dieser junge Mann für schuldig bekannt, an dem Raubüberfall mit Todesfolge in einem Casino beteiligt zu sein?
Auch gegen den Widerstand Harrows beginnt Ivy, alte Spuren zu verfolgen und will der Wahrheit auf die Spur kommen...

Dieser Thriller liest sich mühelos und schnell, der Schreibstil ist fließend und eingängig. Es ist ein typisch amerikanischer Thriller mit raschem Spannungsaufbau, doch leider kann Peter Abrahams diese Spannung nicht die gesamte Zeit über halten. Die Entwicklungen sind recht vorhersehbar, und das Ende empfand ich persönlich eher als platt.
Die Charaktere bleiben eher an der Oberfläche, speziell mit Ivy wurde ich nicht wirklich warm. Gar nicht mal unsympathisch, agierte sie mir oftmals zu naiv und blauäugig.

Gut gefallen haben mir häufig die 'Schreibproben' der Insassen, die aufblitzen ließen, welches Talent Peter Abrahams womöglich tatsächlich hat. Der Thriller als gesamtes war dagegen eher flach und sicher kein Highlight in dem Genre. Auch die Gefängnisszenen, die lt. Klappentext 'wahrlich furchteinflößend' sein sollen, habe ich anderswo schon beeindruckender geschildert gesehen...

Insgesamt habe ich mich durchaus unterhalten gefühlt und würde als Fazit festhalten: nett für zwischendurch, aber es gibt Spannenderes...

© Parden