Rezension

Literarisch interessant, spannend geschrieben

Mary Shelley -

Mary Shelley
von Barbara Sichtermann

Bewertet mit 5 Sternen

REZENSION – Schon 2017 hatte die Publizistin und Schriftstellerin Barbara Sichtermann (79) ihre Romanbiografie über die englische Schriftstellerin Mary Shelley unter dem Titel „Mary Shelley – Leben und Leidenschaften der Schöpferin des 'Frankenstein'“ erstmals veröffentlicht. Nach fünf Jahren erschien nun im Februar im Osburg Verlag eine überarbeitete Ausgabe unter dem neuen Titel „Mary Shelley – Freiheit und Liebe“ über die aufregenden, zu Shelleys Zeit skandalösen Jugendjahre sowie das später weit weniger spektakuläre Autoren- und Witwenleben der Verfasserin, die bereits 1818 durch ihren anfangs noch ohne Autorennamen veröffentlichten ersten Science-Fiction-Roman „Frankenstein oder Der junge Prometheus“ bekannt geworden war.

Sichtermanns unbedingt lesenswertes Werk als „Romanbiografie“ zu bezeichnen, ist im Grunde tief gestapelt, denn mit dieser Kategorisierung würde man ihr Buch leichtfertig mit den heute vielzählig als Auftragsarbeiten in Serie erscheinenden Unterhaltungsromanen über berühmte Frauen vergangener Jahrhunderte gleichsetzen. Der literaturwissenschaftliche Terminus der „Biografie“ wird ihrem Buch wesentlich gerechter, auch wenn die Autorin zweifellos romaneske Passagen nutzt, um uns Lesern das Verständnis historischer, soziologischer oder literarischer Zusammenhänge zu erleichtern.

Sichtermann schildert das ungewöhnliche Leben der Mary Shelley (1797-1851), einer freiheitsliebenden, emanzipierten und willensstarken Frau, Tochter des Sozialphilosophen und Autors William Godwin, des Begründers des philosophischen Anarchismus, und der Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Mary Wollstonecraft. Von beiden in Charakter und Lebensanschauung schon als Mädchen geprägt, verfolgt Mary nicht nur konsequent ihren Traum vom Schreiben eigener Werke, sondern verlässt als 16-Jährige das Elternhaus und brennt mit ihrem Geliebten, dem fünf Jahre älteren, in Literatenkreisen bekannten und skandalumwitterten Dichter Percy Shelley (1792-1822) durch.

Die Jugendjahre Mary Shelleys bis zu Percys frühem Tod vor der toskanischen Küste nehmen den Großteil der Biografie ein, sind sie doch auch die aufregendsten und durch ihre Bekanntschaften mit Schriftstellern und Dichtern ihrer Zeit auch die literarisch interessantesten. Ihr späteres Leben ist weit weniger spektakulär, wenn auch für Mary selbst nicht weniger aufreibend, leidet sie doch als alleinerziehende Witwe wegen nachfolgend literarischer Misserfolge ständig unter Geldmangel. Erst nach der von ihr kommentierten Neuausgabe aller Werke ihres verstorbenen Mannes hat sie ein leidliches Auskommen, das ihr sogar 1840 und 1842/43 ausgedehnte Reisen quer durch Europa bis nach Italien erlaubt – in Erinnerung der wenigen glücklichen Jahre mit Percy Shelley.

Sichtermann hat mittels unzähliger Zitate aus Marys Tagebüchern und Briefen sowie aus literarischen Werken und Dokumenten ihres Ehemannes und ihres Bekanntenkreises ein literaturwissenschaftlich hochinteressantes Buch verfasst. Zudem liefert die Biografie wissenswerte Einblicke nicht nur in Mary Shelleys Privat- und Familienleben, sondern zugleich in die damals durch Folgewirkungen der Französischen Revolution in Unruhe versetzte monarchisch geprägte englische Gesellschaft. Dennoch ist Sichtermanns Romanbiografie – und hier hilft dann doch die romaneske Aufbereitung aller Fakten – eine spannend zu lesende Lebensgeschichte einer ungemein interessanten Frau des frühen 19. Jahrhunderts, die nicht nur für Fans der britischen Schriftstellerin oder ihres Frankenstein-Romans zur Lektüre empfohlen werden kann.