Rezension

Macht Lust auf mehr!

Die Galerie am Potsdamer Platz -

Die Galerie am Potsdamer Platz
von Alexandra Cedrino

Bewertet mit 4 Sternen

"Ob es richtig von Alice gewesen war, in Berlin zu bleiben? Was sie bis jetzt von der Stadt gesehen hatte, gefiel ihr. Quecksilbrig und gefährlich war es, düster, dreckig, billig. Aufregend, schnell und bevölkert von den interessantesten Menschen. Wenn sie irgendetwas erreichen wollte, dann hier. Aber sie musste auch aufpassen. Berlin ernährte sich von Leichtsinn und Gutgläubigkeit. Diese Stadt zog viele an: Glücksritter genauso wie Künstler, Elende und Verwahrloste, die Hoffnungsvollen und die Optimisten." 

 

Die junge Kunststudentin Alice bricht Hals über Kopf alle Zelte in Wien ab und stolpert ins lebendige, turbulente Berlin der Dreißiger Jahre. Ihr Vorsatz: Herauszufinden, was zwischen ihrer Mutter Anna und ihrer Großmutter Helena Waldmann vorgefallen war, warum der Kontakt unwiderbringlich abgebrochen wurde und ja, sie will ein Schuldeingeständnis ihrer Großmutter. Kein leichtes Unterfangen. Denn Helena Waldmann ist nicht nur ein gestandenes Familienoberhaupt, sondern auch eine harte, unnahbare und scheinbar unberührbare alte Frau. 

Wird es Alice gelingen in der Familie Waldmann Gehör zu finden oder gar aufgenommen zu werden in den Familienclan? Scheitert ihr Plan? Und warum könnte das Aufstreben des Nationalsozialismus all ihre Hoffnungen zerstören? 

 

"Die Galerie am Potsdamer Platz" ist der erste Teil der dreiteiligen Galeristinnen-Saga und das Debüt von Alexandra Cedrino. Das Taschenbuch mit 382 Seiten erschien 2022 bei der Verlagsgruppe HarperCollins. Es ist hochwertig verarbeitet und hat eine angenehme Schriftgröße. Ganz besonders mag ich das eindrucksvolle und vielversprechende Cover: Die Farbgestaltung und die junge Frau mit dem Fotoapparat vor der pulsierenden Stadt. Genau so stelle ich mir Alice vor. Auch der Klappentext macht sofort Lust auf mehr. 

 

Obwohl die Autorin für mich noch unbekannt war, haben mich zwei Dinge an diesem Roman neugierig gemacht: Das historische Berlin der bewegten Dreißiger Jahre und die Geschichte einer Kunsthändlerfamilie. Und eins vornweg: Die Autorin hat mich nicht enttäuscht.

 

An der ein oder anderen Stelle gibt es noch Potential im Spannungsbogen und in der Figurenzeichnung. Aber spätestens ab der Mitte des Buches war ich in der Geschichte gefangen. 

Alice blieb für mich in ihrer Art immer ein bisschen suspekt, aber John, Gentle und Johann mochte ich sehr. Auch Helena habe ich in mein Herz schließen können. Wir alle machen Fehler und ich konnte ihre Beweggründe mitfühlen. Fast ist das Buch ein bisschen kurz für den Einstieg in diese umfassende Familiengeschichte und ich hätte mir gewünscht, mehr zu erfahren und hätte dafür andere Stellen, die gerade zu Beginn etwas langatmiger waren, gekürzt. 

Das ist aber Jammern auf hohem Niveau und ich bin sehr gespannt auf Band 2, der schon auf meinem Nachttisch liegt. 

 

Noch ein Wort zum Schreibstil der Autorin. Fast könnte man meinen, es gäbe zwei Erzählstimmen. Denn eine ist pragmatisch und distanziert, die andere einfühlsam, emotional und bildgewaltig. Es gab Phasen, in denen ich gern schneller vorangekommen wäre und andere, in denen ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte.

 

Ganz besonders vertieft war ich in die Beziehung von Alice und John, die Annäherung von Alice und Helena und tatsächlich in diese kurzen Verbindungen fast ohne Worte zwischen Alice und Gentle. Auch die Beschreibungen ihrer entstehenden Liebe zur Fotografie und die Einblicke in die Kunstsammlungen waren für mich sehr interessant. Wie viel können Bilder erzählen? Und können sie unser Leben positiv, oder auch negativ, beeinflußen?    

 

Fazit: 

Ein gelungenes Romandebüt, das Lust auf mehr macht. Sehr gut recherchiert und man spürt immer wieder die Leidenschaft der Autorin für die Kunst. Ich bin gespannt auf den zweiten Teil!