Rezension

Man braucht Nerven, aber es lohnt sich

Das Haus - House of Leaves - Mark Z. Danielewski

Das Haus - House of Leaves
von Mark Z. Danielewski

Bewertet mit 5 Sternen

Irgendwie habe ich mich ein bisschen vor dieser Rezension gefürchtet, genauso, wie ich mich bereits vor diesem Buch gefürchtet habe. Vielleicht ist es gerade auch deshalb, nachdem ich es schon einmal besessen habe, erst einmal wieder ausgezogen. Aber ich konnte nicht widerstehen und habe es mir deshalb noch einmal bestellt und dann Augen zu und durch, auch gleich angefangen und es nicht bereut, obwohl ich dieses Buch für eine literarische Vollkatastrophe halte. Dieses Buch ist nämlich, mal ganz abgesehen von der total verrückten und einzigartigen Typografie, nicht so richtig in Worte zu fassen. Trotzdem will ich es versuchen.

Erst einmal eine kleine Erklärung zur Geschichte, denn diese setzt sich aus verschiedenen Perspektiven und Erzählern zusammen, ebenso aus ganz unterschiedlichen Stilen. So gibt es einerseits den Navidson Record, einen dokumentarischen Film, der zeigt, was sich über einen bestimmten Zeitraum im Haus von Will Navidson, seiner Lebensgefährtin Karen Green und deren gemeinsamen zwei Kindern abspielt und das ist nicht nur seltsam, sondern durchaus düster und gefährlich. Zwischen den Zeilen gibt es hier ebenso eine Liebesgeschichte, die meiner Meinung nach sogar ziemlich wichtig für das Buch ist. Dieser Part wurde von einem Beobachter des Films aufgeschrieben und von mehreren verschiedenen Leuten, Wissenschaftlern, Therapeuten und so weiter analysiert und kommentiert. 

Wenn davon erzählt wird, was im Film geschieht, dann geschieht das eher sachlich und nüchtern, ohne große Gefühlsregungen, aber dennoch ist dieser Part dafür umso spannender und mitreißender. Allerdings werden diese Szenen von oben genannten Analysen und Kommentaren immer wieder unterbrochen. Diese sind dann sehr durchwachsen, mal echt interessant, mal nichtssagend und manchmal auch echt anstrengend. Dennoch sollte man sie durchaus mitlesen, weil manch wichtige Fakten (oder ist doch alles nur ein Mythos) darunter versteckt sind, die zum Verständnis beitragen könnten.

Dann gibt es noch die Geschichte von Johnny Truant, welcher sämtliche Aufzeichnungen, Bilder, Zeitungsartikel und mehr über den Navidson Record aus der Wohnung des alten, blinden Zampanò mitnimmt. Diese arbeitet er selbst auch noch einmal durch und scheint dadurch eine grausige Veränderung durchzumachen. Er wird ängstlicher, paranoider und rutscht immer mehr ab. Ob das an den Unterlagen liegt, wird allerdings nie ganz klar. Jedenfalls erzählt Johnny in der Ich-Perspektive davon, wie er an die Unterlagen gelangt und dann immer wieder zwischendurch, durch eigene Kommentare zum Navidson Record, von seinen Erfahrungen und seinem Leben, nachdem er diese gefunden hat. Das geschieht in einem wirren Durcheinander, mit Gedankensprüngen und manchmal auch einer kruden Sinnlosigkeit, wobei er immer wieder die vierte Wand durchbricht und sich direkt an den Leser wendet. Vor diesen Abschnitten habe ich mich, ehrlich gesagt, immer am meisten gefürchtet. Inwieweit Johnnys psychische Probleme aber mit dem Film zu tun haben, bleibt bis zuletzt offen. 

Überhaupt lässt dieses Buch viel Spekulationsspielraum. Man kann am Ende alles so stehen lassen, sich aber auch eigene Gedanken darüber machen, wobei ich stark davon ausgehe, dass wohl letzteres der Fall sein wird, wenn man sich auf das Buch einlassen kann. Dann gibt es viel zu interpretieren, was ich, neben vielen Dingen, echt herausragend fand. So anstrengend das Buch nämlich auch zu lesen war, so sehr hat es mich tatsächlich gepackt. Die bösen Cliffhanger haben mich dazu gebracht, weiter und weiterzulesen, auch, wenn ich manchmal das Gefühl hatte, gar nichts zu verstehen. Und natürlich hat mich das Mysteriöse und Unverständliche an diesem Buch wahnsinnig fasziniert, selbst, wenn man am Ende eben nicht auf alle Fragen eine Antwort bekommt, erst recht nicht auf die wohl wichtigste Frage, die ich hier aber nicht verraten möchte. 

Bleiben zuletzt noch die einzelnen Charaktere, auf die ich etwas näher eingehen möchte. Für mich waren Will Navidson sowie Johnny Truant auf jeden Fall die wichtigsten Figuren, einmal, weil Wills Erlebnisse im Haus im Mittelpunkt des Buches stehen und einmal, weil all das scheinbar Auswirkungen auf Johnny hat. Will ist dabei ein sehr bodenständiger Typ, der aber auch einen gewissen Abenteuerdrang und Neugier aufweist. Er liebt seine Familie, kann sich der Geschehnisse im Haus aber auch nicht erwehren. Anders ist da Johnny, denn ihn konnte ich bis zum Ende nicht ganz fassen. Er ist auf jeden Fall noch recht jung, hat aber auch schon einiges mitgemacht. Manchmal wirkt er recht abgehalftert, hat einen Hang zu Frauen und Drogen, oft wirkt er aber auch verrückt, wie jemand, der irgendwie nicht in diese Welt passt. Trotz allem scheint Truant aber sehr intellektuell und wortgewandt zu sein, weshalb seine Parts auch recht interessant und dennoch schwer zu lesen sind. Dazu kommen noch einige Nebencharaktere, die allesamt sehr dynamisch gezeichnet sind. Am Ende des Buches ist keiner mehr so, wie noch am Anfang und überhaupt fand ich, hätten sie alle einem echt gut gemachten Film entsprungen sein können. Ich habe jedenfalls nichts gefunden, was mich daran, wie sie geschrieben sind, gestört hätte, so mysteriös sie auch teilweise waren. 

Alles in allem, fand ich dieses Buch, trotz der Besonderheiten und der Tatsache, dass es nicht leicht zu lesen war, absolut genial. Zwar hätte ich hier und da etwas mehr Horror erwartet, aber tatsächlich steckt dieser eher zwischen den Zeilen und dem, was man aus der Geschichte macht. Allerdings muss man sich auch erst einmal auf das Buch einlassen können, sonst könnte es schnell langweilig werden.