Rezension

"Manche Dinge müssen gehen, damit andere kommen können."

Egal wohin - Franziska Moll

Egal wohin
von Franziska Moll

Bewertet mit 4 Sternen

„Egal wohin“ ist mit seinen 224 Seiten im Vergleich zu anderen Jugendromanen verhältnismäßig überschaubar und kann problemlos in einem Durchgang durchgelesen werden. Das würde ich jedoch selbst den Blitzlesern unter euch nicht raten, denn dieser Roman trumpft immer wieder mit kleinen Details auf, die man erst mal auf sich wirken lassen muss.

Johanna, die sich selbst Jo nennt, präsentiert sich als Erzählerin der Handlung, die um sie gesponnen wird. Wenn Jo gerade nicht wie ein ganz normaler Teenager rebelliert und von einem besseren Leben in der Ferne träumt, bestimmt ihre bewegte Vergangenheit ihren Alltag und ihr Handeln. Aufgrund dieser ist Jo nämlich alles andere als zugänglich. Andere Charaktere werden von ihr schnell in eine Schublade gesteckt, aus der sie so schnell nicht wieder herauskommen. Andererseits sagt sie ihrem Gegenüber jederzeit, was sie von ihm denkt. Diese Eigenschaft ist zwar ehrlich, kann ihr aber gerade bei kritischen Lesern zum Verhängnis werden, denn auch ihre Eltern sind nicht sicher vor ihren Anklagen und Vorwürfen. Zwischen ihnen kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, in denen Jo durch nicht nachvollziehbare, manchmal sogar unfaire Handlungen viele Sympathiepunkte verliert. Zudem bleibt der Leser oft in Unklarheit über ihre Gefühle, was die Identifikation mit ihr an mehreren Stellen merklich erschwert. Grundsätzlich kann man jedoch über die meisten anderen Charaktere sagen, dass sie gut gelungen sind. Zwar greift die Autorin immer wieder auf bekannte Stereotypen zurück, jedoch ist das angesichts der Kürze der Handlung und der Wahl des Erzählers verzeihlich.

Die Handlung von „Egal wohin“ ließe sich eigentlich in wenigen Sätzen zusammenfassen, wären da nicht die kleinen Wendungen, die immer wieder geschickt für neuen Schwung sorgen. Die Autorin versteht es, die eigentlich überschaubare Anzahl der Charaktere im Verlauf der Geschichte immer wieder im anderen Licht erscheinen zu lassen. Erst nach und nach offenbaren sich Jo's Vergangenheit und der Grund für das plötzliche Verschwinden von Koch. Gerade das Ende, das für mich persönlich etwas zu früh kam, lässt den Leser mit gemischten Gefühlen zurück. Ich habe meine Zeit gebraucht, diese letzte Wendung zu verarbeiten, doch gerade dieses Nachwirken zeigt sich als große Stärke des Romans.

Der Aufbau der Handlung selbst ist solide und an den meisten Stellen ohne große Längen geraten. Auch der flüssige und schnörkellose Schreibstil der Autorin beschleunigt den Lesefluss, ohne dabei plump oder gar einfältig zu wirken – eine Kunst, die nicht jeder Autor beherrscht und an dieser Stelle besondere Anerkennung verdient. Ihr gelingt es sogar, durch kleine lyrische Einlagen ganz eigene Akzente zu setzen, die auch nach dem Zuklappen des Buches noch immer wirken.

Fazit: „Egal wohin“ hebt sich durch seine geschickte Handlung und den unkomplizierten Schreibstil, aber auch durch seine sperrige Protagonistin von der Konkurrenz der zeitgenössischen Jugendliteratur ab. Wenn ihr über einige nicht nachvollziehbare Handlungen der Protagonistin hinwegsehen könnt, werdet ihr mit einer Geschichte über Verlust und Neubeginn belohnt, die noch lange nachwirken wird.