Rezension

Mehr Tiefe, als erwartet

Tote Mädchen schreiben keine Briefe - Gail Giles

Tote Mädchen schreiben keine Briefe
von Gail Giles

Bewertet mit 4 Sternen

Bei gerade mal 175 Seiten hatte ich nicht wirklich viel erwartet, wurde aber positiv überrascht. Auch wenn ich mit etwas gsanz anderem gerechnet, als ich es bekommen habe. Ich dachte mir das Mädchen wäre eine gruselig genaue Kopie von Jazz und der Roman würde darauf hinauslaufen, irgendwie zu beweisen, dass sie es doch nicht ist. Tja falsch gedacht.
Mutter, Vater, Kind?
Aber fangen wir erst mal mit den Charakteren an, viele sind es nicht, eigentlich nur 5. Ich möchte diesmal auch wirklich über fast alle kurz etwas sagen, denn das Verhältnis zwischen den Charakteren ist die ganz große Stärke in diesem Buch. Es zeigt das Porträt einer Familie, die schon lange nicht mehr funktioniert.
Da hätten wir Sunny. Sunny stand ihr Leben lang im Schatten ihrer perfekten großen Schwester Jazz. Während ihre Eltern ihr nur Aufmerksamkeit schenkten um sie zu ermahnen doch bitte so wie Jazz zu sein, schikanierte und manipulierte Jazz sie, wo sie nur konnte. Das Sunny dabei immer zynischer und in sich gekehrter wurde, ist da nicht verwunderlich. Dennoch war sie mir sympathisch, denn man konnte nachvollziehen warum sie so ist und hatte streckenweise auch Mitleid mit ihr.
Dann wäre da natürlich Jasmine. Jazz die immer bekam was sie wollte,von allen geliebt wurde und von ihren Eltern praktisch angebetet. Sie war manipulativ und auf ihren eigenen Nutzen bedacht. Ihre Schwester Sunny war ihr beliebtestes Ziel für ihre Schikanen. Ihr Tod reißt die ohnehin schon wacklige Familie endgültig auseinander.
Sunnys Dad ist ein Alkoholiker. Da gibts nicht viel mehr zu sagen. Womit wir beim 4. Mitglied dieser schrecklich netten gestörten Familie wären: Sunnys Mutter. Ihre Welt ist vollkommen von Jazz abhängig und nach deren Tod verfällt sie in Depressionen. Sie schafft es nicht mal mehr sich etwas Ordentliches anzuziehen und weigert sich das Haus zu verlassen.
Das Portrait einer kaputten Familie
Man sieht also, in dieser Familie läuft nichts wie es sollte. Sunny steht nach dem Tod ihrer Schwester alleine mit einer depressiven, hilflosen Mutter und einem trinkenden Vater da und versucht irgendwie das alltägliche Leben aufrecht zu erhalten, indem sie die Rechnungen bezahlt, kocht, den Haushalt schmeißt und sich nebenbei um ihre Mutter kümmert und in die Schule geht. Sie ist 14!
Ich hatte während dem Lesen das Gefühl, dass das Geheimnis um um die vermeintliche Jazz eher die Rahmenhandlung für die Geschichte dieser Familie ist. Was mich aber nicht im geringsten störte. Die Autorin schafft es, das zerrüttete Familienverhältnis eindringlich zu schildern, ohne das es sich zu sehr in den Vordergrund drängt.

Die Handlung geht in einem angenehmem Tempo voran und man bleibt gedanklich beim Wesentlichem. Auch der Schreibstil passt sich dem an. Nicht so viel Schnickschnack und Ausschmückungen. Der zynische Humor von Sunny kommt immer wieder gut zur Geltung.
Was mich völlig aus der Bahn geworfen hat, ist das Ende. Die plötzliche Wendung hat mir inhaltlich zwar super gefallen, jedoch war es zu kurz. Keine Erklärungen und im letzten Absatz kommt dann plötzlich noch eine Wendung die gänzlich ungeklärt bleibt. Ein paar Seiten mehr hätten dem Ende mehr als gut getan, denn so bleibt man mit lauter Fragen im Kopf zurück.

Fazit:

Definitiv anders als erwartet. Die Bezeichnung Psychothriller passt bei diesem Buch ganz klar. Das Buch hat mehr Tiefe als gedacht und zeichnet auf eindrückliche Art und Weise das Portrait einer zerissenen Familie. Lediglich für das Ende gibt es Punktabzug.