Rezension

Meinung eines Betroffenen

Wenn die Haut zu dünn ist - Rolf Sellin

Wenn die Haut zu dünn ist
von Rolf Sellin

Bewertet mit 4 Sternen

Klappentext:
Etwa 15 bis 20 Prozent aller Menschen nehmen mehr Reize auf als andere - und das wesentlich intensiver. Die ausgeprägte Begabung, differenzierter und stärker wahrzunehmen, ist oftmals von Vorteil. Viele hochsensible Menschen leiden jedoch darunter: Sie sind verletzlicher, geraten schneller in Stress und kämpfen mit Selbstzweifeln.

Meinung eines Betroffenen:
Da ich mich bislang mit dem Thema Hoch- bzw. Hypersensibilität nur sehr wenig beschäftigt habe, kam dieses Buch schon sehr gelegen. Denn es klärt bereits die Frage, warum Menschen wie ich sich nicht eher mit diesem Thema auseinandersetzen. Warum also? Weil wir Betroffenen ständig den Gedanken haben, dass unser Gemütszustand doch nur Einbildung, Wehwehchen oder was sonst sein können. Schließlich hat man immer gelernt, dass man in erster Linie funktionieren soll und muss, sich einfügen, anpassen zur Not. Und anpassen, darin sind die Hochsensiblen wahre Meister. Aber der Reihe nach.

Warum bin ich so sicher, hochsensibel zu sein? Wenn ich mich vorher kaum mit dem Thema beschäftigt habe, woher diese Einsicht? Das liegt daran, dass Sellin einen hoch interessanten Fragenkatalog zur Selbstdiagnose liefert. Ja, natürlich, Selbstdiagnose - ich höre das Zähneknirschen bis hierher. Sicher kann und will Sellin nicht den Rat eines professionellen Psychologen ersetzen. Er kann aber sehr wohl Fragen stellen, die zum Nachdenken anregen. In einem Katalog von 23 Aussagen (z.B. „Reisen scheint mich mehr anzustrengen als andere.“) muss jeder für sich selbst entscheiden, ob die Mehrzahl dieser Aussagen zutrifft und man somit möglicherweise hochsensibel ist. Im Folgenden wird dann sehr strukturiert und kleinschrittig darauf eingegangen, wie Hochsensibilität das Leben des Kindes, des Jugendlichen und des Erwachsenen beeinflusst. Hier wird nicht bemitleidet, sondern sachlich-fundiert erläutert - und ich habe mich mehr als einmal wiedererkannt.

Der zweite Themenkomplex des Buches beschäftigt sich mit mehr oder weniger konkreten Tipps und Übungen, wie man mit seiner eigenen Hochsensibilität umgehen kann. Auch hier wird erfreulicherweise nicht über einen Kamm geschoren, sondern differenziert und gut verständlich präsentiert. Insgesamt ist das Buch erfreulich leicht geschrieben und kommt weitgehend ohne Fachtermini aus den verschiedenen Zweigen der Psychologie aus.
Mir selbst hat der zweite Teil, quasi der „Praxisteil“ des Buches, jedoch nicht so sehr weitergeholfen, zu komplex ist das Thema und ich habe mich in den genannten Fallbeispielen einfach nicht wiedererkannt.

Trotzdem war das Werk eine spannende und vor allem aufschlussreiche Lektüre für mich, die ich jedem ganz besonders als Einstieg in die Thematik ans Herz legen kann.

4 Sterne

(Veröffentlichung mit Erlaubnis des Betroffenen)