Rezension

Missionierung vs. ein Leben in der Wildnis...

Schwarzrock -

Schwarzrock
von Brian Moore

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Abenteuerroman, der im 17. Jahrhundert spielt - von der Missionierung der Ureinwohner in Kanada durch französische Jesuiten... Heftig!

Père Laforgue kommt als Jesuit in die Neue Welt, um unter Lebensgefahr »Wilde« zu missionieren. Doch je länger er deren Leben teilt, desto mehr beginnt er sie zu begreifen. Die gemeinsame Fahrt den Fluss hinauf gen Norden, durch Feindesland, dem Winterlager entgegen, wird zur Bewährungsprobe. Mit genau recherchierten Details lässt Brian Moore das frühe 17. Jahrhundert plastisch werden. Ein atemlos spannender Abenteuerroman, basierend auf Augenzeugenberichten. 

Dieses Buch ist weit weg von Wild-West-Romantik oder den idealisierten Darstellungen der Indianer wie beispielsweise bei Karl May. Hier wird auf der Grundlage historischer Quellen (u.a. der 'Relations' - der Berichte der Jesuiten im 17. Jahrhundert an ihre Oberen in Frankreich) von den Missionierungsversuchen der 'Sauvages', der Wilden, wie die Indianer Kanadas seinerzeit bezeichnet wurden, berichtet. 

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Père Laforgue, ein engagierter und zutiefst gläubiger Jesuit, dessen Lebensinhalt schon früh der Glaube war. In Kanada hofft er zu Beginn des 17. Jahrhunderts seine Berufung zu finden, als er in eine abgelegene Mission geschickt wird, um die dortigen Patres zu unterstützen - oder aber zu ersetzen, denn gerüchteweise geht dort ein schweres Fieber um. 

Begleitet wird er auf seiner Reise von einem jungen Franzosen, der die Sprache einiger umliegender Indianerstämme beherrscht, sowie von ein paar Algonkin, die auf dem Weg in ihr Winterquartier sind. Gemeinsam mit Père Laforgue stößt der Leser nicht nur in eine naturbelassene Wildnis vor, sondern erfährt dabei auch hautnah die Lebensweise der Indianer.

Das ist auch in friedvollen Augenblicken nichts für Zartbesaitete, denn das gemeinsame Schlafen auf engstem Raum zwischen ungewaschenen Körpern, das unfreiwillige Zeugentum von ungehemmten Beischlafsituationen, das eintönige und oft halbrohe Essen, der derbe Humor, die oftmals unflätige Ausdrucksweise und die unerzogenen Kinder, das muss Père Laforgue erst einmal verkraften.

Schlimmer jedoch ist, dass die Wilden von seinen Missionierungsversuchen nichts wissen wollen. So wie er seinen Glauben für überlegen hält, genau wie die kultiviertere Lebensart der Franzosen, betrachten die Indianer sein Treiben als 'Schwarzrock' bestenfalls mitleidig und überheblich, gelegentlich jedoch auch mit Argwohn. Der Indianerglaube an eine Welt der Nacht und an die Macht der Träume lässt sich einfach nicht vereinbaren mit dem Christentum und dessen Versprechen eines Paradieses nach dem Tod.

Auf der Reise gerät die Notgemeinschaft noch dazu in sehr gefährliche Situationen. Ein Aufeinandertreffen mit gegnerischen Indianern lässt sich nicht immer vermeiden, und was dabei in dem durchweg nahezu emotionslosen, nüchternen und berichtartigen Schreibstil geschildert wird, lässt man beim Lesen am besten von sich abprallen, ansonsten kann einem schon schlecht werden.

Brian Moore gelingt es, die beiden so gegensätzlichen Kulturen wertfrei nebeneinanderzustellen, wobei beim Leser die Frage immer drängender wird, mit welchem Recht sich die eine Kultur der anderen als überlegen und wertvoller ansieht. Weshalb kann es kein friedvolles Gleichzeitig und Nebeneinander geben, wieso muss eine der beiden Kulturen die andere zu dominieren versuchen?

Der Autor lässt die Handelnden denn auch zusehends in eine zugespitzte Situation geraten, die absehbar ist aber nicht mehr abwendbar scheint. Obschon nicht nur dem Leser, sondern auch Père Laforgue zunehmend Zweifel kommen, gerät er in einen Zugzwang, der nurmehr eine Richtung zulässt - und damit den Untergang eines Volkes einläutet. Einmal angestoßen, gerät ein empfindliches Gleichgewicht in Schieflage...

Dieser Roman ist nicht einfach ein Abenteuerroman, sondern ein Zeugnis wahrer Historie, ein Werk von morlaischer Intensität, die Geschichte eines enormen kulturellen, ethischen und theologischen Konflikts, bei der der Autor zwei Seiten gleichzeitig zu betrachten versteht. Hier muss man nicht urteilen, die Gegebenheiten sprechen für sich. Und man verzweifelt mit Père Laforgue...

Eine fordernde Lektüre, die mit Einsichten belohnt...

 

© Parden