Mit spitzer Feder!
Bewertet mit 4 Sternen
Ein Jahr lang hat Roger Willemsen in jeder Sitzung des Bundestags auf der Besuchertribüne gesessen und sich Notizen gemacht, dazu Protokolle ausgewertet und mit Abgeordneten und Angestellten gesprochen. Nun ist dabei ein sehr lesenswertes Buch herausgekommen.
Es beginnt mit der Neujahrsanspreche der Bundeskanzlerin 2013 und endet mit der Ansprache 2014. Dazwischen liegt ein turbulentes Jahr: NSU, NSA, Bundestagswahlkampf, Bildung der GroKo...
Dazwischen immer wieder Gesetzesvorlagen, Aktuelle Stunden, Berichte zur Lage der Nation, Kleinkrieg um Worte und Wörter, Gedenkveranstaltungern zu allen möglichen Themen. Und immer wieder die Frage: Und wo bleibt der Bürger? Um den soll sich in einer parlamentarischen Demokratie ja eigentlich alles drehen. Allerdings hat nicht nur Willemsen manchmal den Eindruck, dass das Wohl irgendwelcher Lobbyisten wichtiger ist als das der "Menschen draußen im Lande".
Willemsen schreibt wie immer pointiert, machmal auch ganz genüsslich übertreibend, aber immer genau beobachtend. Köstlich, wie er allein durch das Zitieren der Zwischenrufe den Rufer charakterisiert! Seine Beobachtungen treffen den Kern, sind mit spitzer Feder geschrieben und manchmal sehr amüsant.Ab und zu menschelt es gewaltig, besonders zum Ende der Legislaturperiode, an dem es für viele altgediente Parlamentarier ums Abschiednehmen geht.
Man fragt sich, wie Willemsen das ganze Jahr überstanden hat. So viele langweilige Sitzungen über Wirtschaftspolitik, Entwicklungspolitik, Steuerpolitik, Landwirtschaftspolitik, Kulturpolitik und nur wenige parlamentarische Sternstunden..., da muss man schon viel Geduld haben. Aber dabei ist ein wirklich lesenswertes Buch herausgekommen, das einen ganz anderen Blick auf die Arbeit im Parlament bietet, als man im Fernsehen und den Zeitungen mitbekommt.
Jeder politisch interessierte Zeitgenosse und jede poltisch interessierte Zeitgenossin - jetzt bin ich mal politisch ganz korrekt! - sollte das Buch lesen!