Rezension

Mörderische Jagd nach Anerkennung

Ein tiefer Fall - Bernhard Kegel

Ein tiefer Fall
von Bernhard Kegel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der größte Triumph seiner Karriere liegt hinter Hermann Pauli. Seit der Biologieprofessor vor einigen Jahren gemeinsam mit einem einheimischen Kollegen vor der Küste Neuseelands eine bis dahin unbekannte Riesenkalmar-Art entdeckt hat, ist er in der Welt der Meeresbiologen ein Idol. Paulis Abenteuer in Neuseeland liegen ungefähr zwei Jahre zurück, als er im Biologiezentrum der Kieler Uni nachts von einem Wasserschaden überrascht wird. Bei seiner Suche nach der Ursache der gewaltigen Wasserflut, die ihm aus dem 12. Stockwerk entgegenströmt, findet Pauli in der Etage über seinem Büro einen toten Mitarbeiter. Ein weiterer Mitarbeiter ist bei einem Sturz aus dem Fenster ums Leben gekommen. Die beiden Toten forschten für Frank Moebus, dessen Spezialgebiet Mikroorganismen sind, die in der Tiefsee in der Nähe so genannter Schwarzer Raucher gefunden werden. Moebus hat in der Fachwelt und auch in Kiel Prominenten-Status. Das Ermittlungsteam der Kriminalpolizei muss sich zunächst in den Wissenschaftsbetrieb als Schauplatz eines Verbrechens und in Moebus Forschungsgebiet hineinversetzen. Als Leiterin der Sonderkommission zu dem beunruhigenden Vorfall vernimmt Anne Detlefsen Hermann Pauli als Zeugen, der als erster an den Tatort kam. Die Kriminalhauptkommissarin interessiert sich für Meeresbiologie und macht sich mithilfe von Paulis Aussagen schnell ein Bild von Moebus Forschungsvorhaben. Pauli ist zunächst der einzige Mitarbeiter, von dem bekannt ist, dass er zu Moebus näheren Kontakt hatte; gemeinsam mit zwei weiteren Musikern spielten die beiden Biologen in einer Band. Moebus ging privat und beruflich keinem Konflikt aus dem Weg. Alle Mitarbeiter standen unter enormem Erfolgsdruck, wie Pauli von seinem eigenen wissenschafltichen Mitarbeiter erfährt. Professor Moebus kämpfte offenbar mit allen Mitteln um Forschungsgelder.

In Kegels zweitem Wissenschaftsthriller sind zwei Todesfälle im Biologiezentrum der Kieler Universität Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Hamsterrad Wissenschaftsbetrieb. Was konnte so gewaltige Emotionen entfesseln, dass zwei wissenschaftliche Mitarbeiter getötet wurden? Noch während der Ermittlungen regt sich unter Wissenschaftlern im In- und Ausland und unter Kieler Studenten Protest gegen die Arbeitsmethoden des Professors, dessen beste Mitarbeiter kurz zuvor ums Leben gekommen sind.

Hermann Pauli, der für die Ermittler unentbehrliche Kontaktmann zur Universität, blickt mit der Gelassenheit desjenigen auf die Jagd nach Veröffentlichungen, Planstellen und Forschungsmitteln, der selbst nie nach Ruhm strebte. Der Kontrast zwischen Pauli, dem kurz vor der Emeritierung das angenehme Betriebsklima in seiner Abteilung am wichtigsten ist, und dem überehrgeizigen Moebus machen den Charme des Buches aus. Bernhard Kegel nimmt sich dabei viel Zeit, um seine Figuren in allen Facetten zu beschreiben. Wer sich für aktuelle Bezüge zum Thema Fälschung von Forschungsergebnissen interessiert, Sinn für feine Zwischentöne und ein vernünftiges Maß an Privatleben der handelnden Figuren hat, wird gern in die Ereignisse um Pauli und Moebus eintauchen.

Der Roman bezieht sich an wenigen Stellen auf Der Rote, zum Verständnis des zweiten Buches muss man Kegels ersten Wissenschaftsthriller nicht gelesen haben.