Rezension

Morbid, düster und sehr spannend

Die Totensammler - James McGee

Die Totensammler
von James McGee

Bewertet mit 5 Sternen

»Einst waren in diesem Winkel des Friedhofs wohl die wohlhabenderen Gemeindemitglieder beigesetzt worden, aber das war lange her. Jetzt wurden hier nur die Armen beerdigt, und Einzelgräber waren eine Seltenheit. Der Friedhof war zu einem Ort gleichgültiger Vernachlässigung geworden. Und zu einem Ort der Hinrichtung.«

London, zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In einem Irrenhaus wird eine furchtbar zugerichtete Leiche gefunden, weitere schreckliche Funde schließen sich an. Ein Fall für Sonderermittler Hawkwood, der sich wie kein zweiter in den tiefsten Tiefen der Londoner Unterwelt auskennt. Was er im Rahmen seiner Ermittlungen herausfindet, wird ihn allerdings an seine Grenzen führen…

 

Wow, was habe ich dieses Buch verschlungen! Ein sehr spannender Thriller, dessen geschichtlicher Hintergrund einem die Haare zu Berge stehen lässt. Erläuterungen zu diesem Hintergrund finden sich im Anhang, verbunden mit dem Hinweis des Autors, dass er manche geschichtlichen Tatsachen absichtlich nicht in sein Buch integriert hat, weil er fürchtete, »die Leser würden es zu abartig finden.«

 

Auch so darf sich der Leser schon auf einiges gefasst machen. Das Thema „Leichenraub“ zieht sich durchs ganze Buch, es gab damit offenbar ein großes Problem, vor allem für die arme Bevölkerung, deren Gräber leicht auszunehmen waren. Rivalisierende Banden führten einen Krieg um die Leichen und zahlreiche Abnehmer warteten auf stetigen Nachschub. Hier erlebt man als Leser dann auch passsenderweise einen Abstecher in die Geschichte der Chirurgie, einschließlich dem Besuch einer Vorlesung mit Live-OP. Natürlich ohne Betäubung.

 

Bei all dem Schrecken wird man auch nachdenklich. Was haben sich manche im Dienste der wissenschaftlichen Forschung herausgenommen! Natürlich ist es wichtig und verständlich, dass sich Mediziner Gedanken über Fortschritte und neue Entwicklungen machen. Wenn sie das nicht immer schon getan hätten, wo wären wir dann? Aber trotzdem sind so manche Dinge aus heutiger Sicht einfach nur schaurig.

 

Hawkwood, den ich bereits im ersten Teil kennenlernte, zeigt sich hier wieder von seiner besten Seite. Bedeutet: Er lässt sich von wichtigen Titeln nicht beeindrucken, tritt hartnäckig auf Füße und fällt in gewissen Kreisen dadurch ständig unangenehm auf. Höchst sympathisch ist mir das!

 

Fazit: Morbid, düster und sehr spannend. Eine volle Leseempfehlung für jeden Interessierten, der nicht zu sensibel ist. Die Kenntnis von Band 1 ist für das Verständnis nicht erforderlich.

 

»Ich war mit seiner ersten Antwort nicht zufrieden. Da habe ich ein bisschen Druck ausgeübt.« »Ich war immer ein Bewunderer Ihrer Überredungskunst, Hawkwood.«