Rezension

Mord im Zug

Mallorquinische Rache -

Mallorquinische Rache
von Lilly Alonso

Bewertet mit 5 Sternen

„...Spätestens jetzt hatten sie die Aufmerksamkeit des ganzen Waggons. Das pfälzische Ehepaar hatte aufgehört zu diskutieren und sah unverhohlen mit großen Augen zu ihnen. Selbst die Kinder hatte ihr Gekreische eingestellt...“

Im Orangen-Express auf Mallorca belegen sich Pablo Rivera und Ramón Cabot lautstark. Der Rest der Passagier im Zug wird dabei gut unterhalten. Bei der Ankunft in Sóller aber sitzt Cabot erstochen auf seinen Platz.
Die Autorin hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das Buch ließ sich nur schwer aus der Hand legen.
Das ist nicht nur durch den hohen Spannungsbogen bedingt, sondern auch durch den ausgefeilten Schriftstil. Die Autorin beherrscht das Spiel mit Worten, Metaphern und Vergleichen. Das zeigt ein Zitat aus Riveras Mund:

„...Ich warne Sie. Das Wissen über die Leichen im Keller anderer Leute ist keine Einbahnstraße. Sie funktioniert in beiden Richtungen...“

Der Fall landet bei Lluc Casasnovas, der eigentlich vorzeitig in den Ruhestand gehen möchte. Ihm zur Seite arbeitet Fina, die sich als seine Nachfolgerin sieht, sich aber sehr schnell unbeliebt macht. Beide arbeiten gekonnt aneinander vorbei statt miteinander.
Die Geschichte ist geschickt aufgebaut. Obwohl alle im Zug saßen und fast jeder jeden gesehen hat, geschah der Mord unauffällig. Llucs Kenntnis von Land und Leuten und sein akribisches Arbeiten sorgen dafür, dass immer neue Verdächtige mit stimmigen Motiv auftauchen – und leider entlastet werden. Natürlich gehe ich als Leser jeden Umweg mit.

„...Lluc fühlte sich wie eine Fliege, gefangen im Sog des abfließenden Wassers eines Waschbeckens, die ihre verbleibenden Möglichkeiten abwog. […] Die am meisten erfolgversprechende Art, dem Strudel zu entkommen, war schnell mit ihm zum Grund hinabzutauchen, wo der geringste Sog herrschte...“

Dabei haben Lluc und Fina völlig unterschiedliche Täter im Fokus. Das Buch lässt Raum für das Privatleben der Protagonisten. Das erklärt, warum sie sich manchmal so verhalten, wie sie sich verhalten.
Kiko, ein alter Mann, ermahnt Lluc:

„...“...Es ist Zeit, alte Wunden zu heilen, mein Freund. Lass sie gehen...“

Sehr viel erfahre ich über die Landschaft in der Gegend, denn ich begebe mich als Leser mit Llluc häufig in die Umgebung des Ortes.
Ab und an blitzt ein feiner Humor auf.

„….Lluc erinnerte sich nur vage daran, eine Account zu besitzen. Selbst der Kirche hatte er im vergangenen Jahr häufiger Besuche abgestattet als den sozialen Medien – genau einmal zur Kommunion seines Neffen...“

Der Krimi hat mir ausgezeichnet gefallen. Er vermittelt sehr viel Lokalkolorit und zeigt die Vielfalt der menschlichen Emotionen. Dabei ist die Handlung raffiniert aufgebaut.