Rezension

München im Kalten Krieg der 50er

Die Nachtigall singt nicht mehr -

Die Nachtigall singt nicht mehr
von Andreas Götz

Bewertet mit 4 Sternen

Fünf Jahre nach Karl Wieners Recherchen zu einem großangelegten Fall von Raubkunst hofft er noch immer auf eine feste Stelle als Journalist beim Magazin seines Freundes Georg. Seine Nichte Magda ist mit dem dubiosen Blohm eine Vernunftehe eingegangen und sichert damit sich und ihrem Sohn Peter den Lebensunterhalt. Doch mit der Eheschließung als Zweckgemeinschaft allein ist die Sache für Magda längst nicht ausgestanden. Der Immobilienkönig Blohm ahnt, dass seine Frau noch immer Karl Wieners liebt und lässt sie nicht aus den Augen. Der Ex-Polizist Ludwig Gruber schlägt sich inzwischen als Privatdetektiv durch mit der Observierung der Rosenkriege seiner Klienten. Als Rudi, der Junge mit viel zu großen Schuhen, Gruber engagiert, um den angeblichen Selbstmord seine älteren Bruders aufzuklären, gerät der Ex-Kriminaler mitten in den Agenten-Krieg, den sich ausländische Geheimdienste auf deutschem Boden im „Kalten Krieg“ lieferten. Tomáš Čierny soll offenbar von den eigenen Leuten beseitigt werden, und Gruber muss sich mit der Furcht vor dem Kommunismus in den 50ern und den Aktivitäten von slowakischen Exilpolitikern und Sudetendeutschen befassen. Ein unbekannter Toter aus dem Eisbach beschäftigt derweil Grubers Ex-Kollegen Zöllner. Grubers Begegnung mit Rudis Familie konfrontiert ihn mit der Faszination des Jungen durch eine Jugendbande und Problemen Jugendlicher, die jahrelang zum Familienunterhalt arbeiteten und plötzlich einem “fremden“ Kriegsheimkehrer gegenüberstehen, der die Rolle des Familienoberhaupts beansprucht.

Der erste Band der Reihe lieferte ein ungewöhnliches Bild der Nachkriegszeit, weil darin Männer den Ton angaben, obwohl man durch den „Männermangel“ (die hohe Zahl an Kriegstoten) jene Zeit eher als weiblich geprägt sehen könnte. Jugendliche waren ohne Vater aufgewachsen und vielen Frauen war damals bewusst, dass sie ihr Leben weiterhin ohne Partner oder „Ernährer“ organisieren mussten. Auch im zweiten Band spielen Männer entscheidende Rollen, im Privatleben z. B. als gebrochene Witwer und verwaiste Väter, die sich längst noch nicht auf eine neue Beziehung einlassen können. Der Spionagefall wirkt verworren, seine Lösung nicht unbedingt nachvollziehbar. Er kann jedoch eine Vorstellung vermitteln, wie stark der Ost-West-Konflikt die Menschen damals prägte. Überzeugender finde ich auf der Beziehungsebene die Entwicklung der Figuren seit dem ersten Band. Gerade Magda und Karl können 5 Jahre nach ihrem ersten Fall das Bild vervollständigen, das ich mir in der unmittelbaren Nachkriegszeit von ihnen machte.

Kommentare

hobble kommentierte am 24. März 2021 um 06:35

was fürs wunschregal