Rezension

Nach "Sommer" folgt "Herbst"

Racheherbst
von Andreas Gruber

~~In „Racheherbst“, dem neuen Thriller des österreichischen Autors Andreas Gruber, gibt es ein Wiedersehen mit Walter Pulaski, wegen seiner Asthma-Erkrankung mittlerweile Ermittler beim Kriminaldauerdienst in Leipzig, und der Wiener Anwältin Evelyn Meyers, die wir bereits aus dem Vorgänger „Rachesommer“ kennen.  Allerdings dauert es eine ganze Weile, bis sich deren Fährten kreuzen, nämlich bis auf Seite 369. Bis dahin schlagen sich beide mit ihren eigenen Fällen herum, nicht wissend, dass es einiges an Gemeinsamkeiten gibt.

Pulaski ermittelt im Fall der beiden Schwestern: Natalie, die ältere der beiden, wurde unter einer Leipziger Brücke angeschwemmt. Die Untersuchung der Leiche fördert Erschreckendes zutage. Vor ihrem Tode musste sie unvorstellbaren Grausamkeiten ausgesetzt sein, denn jeder einzelne Knochen in ihrem Körper ist gebrochen. Es stellt sich heraus, dass sie ganz unten angekommen war. Aber wer kümmert sich schon um den Mord an einer drogenabhängigen Prostituierten?

Ungefähr zeitgleich verschwindet ihre jüngere Schwester spurlos. Und auch hier hält sich das Engagement der Polizei in Grenzen. Daran verzweifelt Mikaela, die Mutter der beiden jungen Frauen, die daraufhin die Zelte hinter sich abbricht und auf eigene Faust zum einen nach dem Mörder, zum anderen nach ihrer verschwundenen Tochter sucht. Unterstützt wird sie von Pulaski, selbst Vater einer Tochter, und mit dem minimalen Einsatz seiner Polizeikollegen nicht einverstanden. Ihre Nachforschungen führen sie zu einem Killer, der eine blutige Spur durch Europa zieht.

In Wien schlägt sich derweil die junge Anwältin Evelyn Meyers mit ihrem ersten Klienten herum. Ein erfolgreicher Arzt ist des Mordes angeklagt und besteht darauf, von ihr verteidigt zu werden. Offenbar möchte er die persönlichen Beziehungen seiner Anwältin zur Staatsanwaltschaft nutzen. Und obwohl er immer wieder seine Unschuld beteuert, hat die Anwältin ein ungutes Gefühl.

Andreas Gruber versteht es, den Leser bei der Stange zu halten. Durch die beiden Handlungsstränge, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden, bleiben sowohl Spannung als auch Tempo durchgängig auf hohem Niveau. Allerdings bietet die Auflösung des Falls keine Überraschung, und auch die Motivation des Täters wird lediglich en passant erwähnt.

Dafür punktet er bei seinen Personen. Nicht nur die Haupt- sondern auch die Nebenfiguren sind sympathisch und mit viel Liebe zum Detail angelegt. Man nimmt ihnen ihre Reaktionen ab, sei es nun die Mutter, die aus Verzweiflung völlig unüberlegt agiert und von einer gefährlichen Situation in die nächste gerät, oder aber Pulaski, dem dieses Verhalten Bewunderung abringt, obwohl Mikaela immer wieder seine Gutmütigkeit ausnutzt und ihn auch schädigt. Einzig die Anwältin bleibt eine recht blasse Protagonistin, was aber nicht weiter verwundert, denn der Schwerpunkt der Handlung liegt eindeutig bei dem Duo Pulaski/Mikaela.

Nach Sommer folgt Herbst, und wenn der Autor die Chronologie der Jahreszeiten  fortführt, erwartet uns als nächstes wohl ein „Rachewinter“ – wir dürfen gespannt sein!