Rezension

Nachdrückliche Leseempfehlung!

Hard Revolution - George P. Pelecanos

Hard Revolution
von George P. Pelecanos

Dass für George Pelecanos die literarische Verarbeitung des Alltags in seiner Heimatstadt Washington schon immer ein zentrales Thema war und ist, weiß jeder, der seine Romane kennt. Ob das nun die Washington-Trilogie oder die Strange/Quinn-Reihe ist, die Stadt und ihre Bewohner, aber auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, bilden immer den Rahmen für die Bücher des Autors.

So auch in „Hard Revolution“, im Original bereits 2004 erschienen und nun dankenswerterweise in der deutschen Übersetzung (von Gottfried Röckelein) im Ars Vivendi Verlag veröffentlicht. Die Handlung liegt zeitlich vor der in den drei bereits erschienenen Bänden der Reihe und könnte den Untertitel „Wie er wurde, was er ist“ tragen, wobei es nicht nur um Derek Stranges persönliche Geschichte, sondern auch um die soziokulturellen Veränderungen in Washington geht.

Pelecanos erzählt in zwei Zeitebenen, 1959 und 1968: Washingtons Wohnviertel sind nach sozialem Status und Ethnien getrennt. Üblicherweise bleiben die Weißen und die Afroamerikaner man unter sich, Rassismus und Diskriminierung gehört zum Alltag. Wer schwarz ist, hat schon von vornherein schlechte Karten und kann im seltensten Fall seine Träume verwirklichen. Derek Strange ist 1959 zwölf Jahre alt und hat ein Vorbild, Frank Vaughn, einen Polizisten (weiß), in dessen Haushalt seine Mutter als Putzfrau arbeitet. Wie dieser möchte er Polizist werden, für einen schwarzen Jungen nahezu ein unerreichbares Ziel, denn zu dieser Zeit gibt es kaum afroamerikanische Polizisten (ca. 25 % in den Sechzigern). Außerdem ist dieser Berufswunsch für einen Jungen aus seinem Viertel eher ungewöhnlich, sind diese doch meist auf der anderen Seite zu finden. Dass Derek zehn Jahre später von seinen eigenen Leuten als Verräter, als „Onkel Tom“ bezeichnet wird, wenn er in Polizeiuniform mit seinem Partner auf Streife ist, versteht sich fast von selbst.

Das Civil Rights Movement gewinnt Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre an Bedeutung, die Wut wächst, die amerikanische Gesellschaft ist noch immer durch Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit gekennzeichnet. Gangs übernehmen ganze Viertel, die Heimkehrer aus dem Vietnamkrieg sind entweder traumatisiert und/oder wenden das auf den Schlachtfeldern erworbene Wissen auf der Straße an. Jeder will sein Stück vom Kuchen, vom amerikanischen Traum. Die Gewalt nimmt zu, Opfer sind auf beiden Seiten zu beklagen. Auch Derek Strange muss das erfahren, als sein Bruder erschossen wird. Und als am 04.04.1968 Dr. Martin Luther King, die Gallionsfigur der Bürgerrechtsbewegung, in Memphis einem Attentat zum Opfer fällt, brennt auch in Washington die Luft. Und nicht nur die.

Es sind unzählige Geschichten von „unten“, die George Pelecanos in „Hard Revolution“ hineinpackt und daraus das grandiose Porträt einer Gesellschaft am Scheideweg zeichnet, die aber offenbar aus ihrer Geschichte nichts gelernt hat. Denn dem Civil Rights Movement entspricht heute „Black Lives Matter“, eine Bewegung, die sich gegen gewalttätige Übergriffe engagiert, denen Afroamerikaner tagtäglich ausgesetzt sind. Traurig genug, dass es ausgerechnet die Uniformträger sind, die hier immer wieder durch brachiale Gewalt und vorschnellen Schusswaffeneinsatz auffallen.

„Hard Revolution“ ist weit mehr als ein Kriminalroman, es ist ein höchst politisches Buch, ein soziokulturelles Porträt der Hauptstadt der Vereinigten Staaten der fünfziger und sechziger Jahre, sehr lebendig und authentisch erzählt. Und mit sehr viel Zeitkolorit durch die Einarbeitung von Filmtiteln, Automarken und jeder Menge Musik in die Story.

Nachdrückliche Leseempfehlung!