Rezension

Nachtruhe - ein spannender Regionalkrimi, der in die Welt der Pfadfinder führt.

Nachtruhe - Simone Dorra

Nachtruhe
von Simone Dorra

Bewertet mit 5 Sternen

Ein ungewöhnlicher Regionalkrimi, der den Leser von Anfang an mitreißt und den man nur ungern wieder aus der Hand legen möchte. Spannender Lesestoff, der nicht an der Oberfläche bleibt und der den Leser zwischendurch auch gerne mal auf die falsche Fährte lockt.

Malte Jacobsen, Kriminalkommissar aus Hamburg, der so sehr mit seinem eigenen Beruf verheiratet ist, dass die eigene Ehe darüber in die Brüche gegangen ist, stößt an seine Grenzen. Sein letzter Fall - ein ermordetes Mädchen - lässt ihn nicht los und als er geradewegs auf ein Burnout zusteuert, lässt ihm sein Vorgesetzter nur noch zwei Möglichkeiten: entweder eine Versetzung nach Waiblingen ins beschauliche Schwabenland - oder es droht ein vorzeitiges Karriereende. Jacobsen beißt in den sauren Apfel und kann zunächst im Ferienhaus seiner Schwester, die in Backnang lebt, unterkommen und ein paar Wochen entspannen. Er macht auf etwas unliebsame Art Bekanntschaft mit  einem schlecht gezielten Ball und zwei Pfadfindern, kann aber nicht ahnen, dass er die beiden bald unter ganz anderen Umständen wieder sehen wird. 

Als er den Dienst in Waiblingen antritt, lernt er seine neue, attraktive Kollegin Melanie Brendel kennen und bekommt auch gleich seinen ersten Fall auf den Tisch: ein Pfadfinderführer wird am Rande eines Pfadfinderlagers erhängt aufgefunden und alle Anzeichen sprechen für Mord. Bei seinen Recherchen stellt Jacobsen fest, dass es kaum jemanden gibt, der den engagierte Mann nicht mochte - noch dazu gehört er zu einer angesehenen Backnanger Familie, so dass man Jacobsen schon bald nahelegt, bei seinen weiteren Ermittlungen größtmögliches Fingerspitzengefühl und Diskretion walten zu lassen. Er lernt die Familie des Toten kennen und hat den Eindruck, einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, das sich nur noch nicht fassen lässt.

Fast zeitgleich zu dem Mord wird im Backnanger Mühlkanal die Leiche einer 16-jährigen Pfadfinderin gefunden, die demselben Stamm angehörte. An einen seltsamen Zufall mag der Kommissar nicht glauben und so forscht er unermüdlich weiter. Nur langsam lichtet sich das Dunkel und hinter so mancher perfekten Fassade offenbaren sich Heimlichkeiten und Geheimnisse. Was steckt hinter der Internet-Mobbing-Aktion, die die tote Pfadfinderin über Monate hinweg initiiert hat? Und kann es sein, dass der perfekte Pfadfinderführer in Wirklichkeit ein ganz anderes Gesicht hatte? Welche Rolle spielt eine ziemlich ungewöhnliche Wohnsitzlose, warum haben die Mutter und die Ehefrau des Ermordeten so ein gestörtes Verhältnis - und vor allem: warum schütten Schwaben Essig auf Linsen?

Simone Dorra hat mit ihrer zweiten Veröffentlichung einen ungewöhnlichen Regionalkrimi geschrieben, der den Leser von Anfang an mitreißt und den man nur ungern wieder aus der Hand legen möchte. Auf der einen Seite finden besonders Einheimische viele Orte wieder und auch die schwäbische Lebensart und Küche wird durch die Augen des Hanseaten sehr anschaulich beschrieben, andererseits thematisiert das Buch aber auch mit deutlichem Tiefgang Probleme wie Mobbing oder Kindesmissbrauch. Zudem wird der Leser auch dann, wenn er mit der Pfadfinderei noch nichts am Hut hat, in die Sitten und Gebräuche der Pfadfinder eingeführt. 

Fazit: spannender Lesestoff, der nicht an der Oberfläche bleibt und der den Leser zwischendurch auch gerne mal auf die falsche Fährte lockt. Ein Buch für Krimifans, Pfadfinder und alle, die gerne schmökern.