Rezension

Ein Fall der unter die Haut geht

Nachtruhe - Simone Dorra

Nachtruhe
von Simone Dorra

Bewertet mit 5 Sternen

Malte Jacobsen arbeitet als Kriminalkommissar in Hamburg, sein letzter Fall hat ihn so sehr mitgenommen, dass er kurz vor einem Burnout steht. Sein Chef bietet ihm nach einem Zwangsurlaub eine Versetzung an, damit er in einer anderen Umgebung frisch durchstarten kann. So landet Malte Jacobsen bei der Kripo Waiblingen, seine Schwester wohnt mit ihrer Familie ganz in der Nähe, bei ihr zieht er vorläufig ins Gästezimmer ein und genießt es, betüttelt zu werden.

Der erste Fall den Malte klären soll betrifft den Mord an Peter von Weyen, dem Leiter des Pfadfinderclubs Impeesa. Bei einem Zeltlager wird er erhängt an einem Baum gefunden, Selbstmord kann aufgrund der Faktenlage ausgeschlossen werden. Verwertbare Spuren gibt es nur wenige.  Die Familie ist angesehen, Peter war bei allen beliebt, es scheint für den Mord kein Motiv zu geben. Zusammen mit seiner neuen Kollegin Melanie Brendel ermittelt Malte in dem Fall, der ihm persönlich nahe geht. Denn während seines Urlaubs hatte er sowohl Peter von Weyen als auch dessen Sohn Lukas kennengelernt.

Simone Dorra, von der ich schon "Fluchmond" gelesen habe, führt den Leser mit sehr viel Fingerspitzengefühl an diesen brisanten Fall heran. Denn was sich hinter dem Fall verbirgt, wird erst nach und nach klar, ist aber umso schockierender. Ein Fall der mich berührt  und betroffen gemacht hat, der unter die Haut geht. Man begleitet die beiden Ermittler hautnah bei ihren Recherchen und  Befragungen, ich habe hier mitgerätselt und tappte wie die Ermittler lange Zeit im Dunklen. Der Fall ist auch zu verworren und das Motiv sehr gut versteckt.

Der Schreibstil liest sich wunderbar leicht, die Seiten fliegen nur so dahin und mit den beiden Hauptprotagonisten bin ich schnell warm geworden. Malte und Melanie sind beide sehr sympathisch und arbeiten als Team perfekt zusammen, respektieren und ergänzen sich. Ich habe Malte bei seinen ersten Schritten im Schwabenland begleitet, mich über seine teils misstrauischen Blicke auf das ihm unbekannte Essen amüsiert. Durch mundartliche Spracheinlagen wirkt die Handlung authentisch und bekommt viel  Lokalkolorit.

Beindruck hat mich, mit wievielt Gespür Malte auf seine Geprächspartner eingeht. Sowohl  bei seinen Befragungen, gegenüber seiner Kollegin  und im Umgang mit den Jugendlichen des Pfadfinderlagers. Er ist nicht dieser typisch harte Kerl der sich beweisen muss und coole Sprüche raushaut, sondern ein liebenswerter Typ, der in seinem Beruf noch nicht abgestumpft ist und dem seine Fälle immer noch nahe gehen. Mindestens genauso gut hat mir aber auch Melanie gefallen, die hier ihre Frau steht und Malte die schwäbische Lebensart näher bringt. Mit einem Wort: Ein tolles Team.

Die Polizeiarbeit ist gut erklärt, die Gedankengänge und Überlegungen der beiden Protagonisten sind gut nachvollziehbar. Der Krimi kommt ohne blutige Szenen aus, die Spannung ist trotzdem hoch und durch die leisen Töne wirkt die Handlung noch eindringlicher. Ein Buch, das bei mir noch lange nachhallen wird.

Fazit: "Nachtruhe" ist für meinen Geschmack ein perfekter Regionalkrimi. Mundart und Lokalkolorit, Atmosphäre und zwei überaus sympathische Ermittler. Dazu ein undurchsichtiger Plot, der betroffen macht. Definitiv ein Team von dem ich sehr gern noch weitere Fälle lesen möchte.