Rezension

Nes und Tilla und das Meer

Das Echo der Gezeiten -

Das Echo der Gezeiten
von Rebekka Frank

Bewertet mit 5 Sternen

Vom Meer, vom Tauchen und von einem Schiffswrack erzählt Rebekka Frank. Und von zwei Frauen, die mehrere Jahrhunderte trennen und die doch so viel verbindet.

Nes lebt im 17. Jahrhundert, ihre Geschichte beginnt im Oktober 1633, als sie mit ihrer Mutter Belanca auf der Insel namens Strand ankommt. Sie suchen bei einer Handvoll Frauen Schutz - den Beginen, eine religiöse Laiengemeinschaft. Im zweiten Erzählstrang ist es Tillas Geschichte, sie beginnt 1955. „Wir werden gemeinsam nach Elba gehen“ meint ihr Vater. Tauchen sollen Tilla und ihr kleiner Bruder lernen. Schon lange träumt sie davon, die Unterwasserwelt zu erobern. In St. Peter aufgewachsen ist ihr die Nordsee vertraut und nicht nur das, sie fährt gern mit ihrer Großmutter hinaus, die ihr dann von den Schiffswracks an der nordfriesischen Küste erzählt. „Genau hier, tief unter uns, liegt es. Ein fast vergessenes, uraltes Wrack.“  

Tilla ist gerüstet zum Tauchgang, das Wrack wartet schon unter einer dicken Schlammschicht - schon das sehr aussagekräftige Cover lädt ein, diesen Roman näher zu betrachten.

In diesem Roman hat Rebekka Frank Historie mit Fiktion verflochten. Ihr Erzählstil ist so einnehmend, er hat eine regelrechte Sogwirkung, sodass es schwer fällt, das Buch wegzulegen. Die beiden Zeitebenen werden im Wechsel erzählt, wobei ich sowohl den Erzählstrang um Nes als auch den um Tilla als sehr intensiv empfunden habe. Müsste ich mich entscheiden, welche Zeitebene mir mehr zugesagt hat – es würde mir schwerfallen. Nes und Tilla, ihre Protagonistinnen, sind starke, unerschrockene Frauen, ihrer Zeit weit voraus. Tilla etwa, die in Hamburg als eine der wenigen Frauen studiert, hat es in der patriarchalisch geprägten Gesellschaft wahrlich nicht leicht. Noch in den 1960er Jahren gab es an den Hochschulen diese Altnazis, die – als hätten sie keine Schuld auf sich geladen - wie selbstverständlich unterrichten konnten. Die Autorin bindet noch so einiges an Zeitgeschichtlichem mit ein wie etwa die Hamburger Flut 1962, auch lese ich von der verheerenden Burchardiflut am 11. und 12. Oktober 1634, die Nes und die Bewohner auf Strand in Angst und Schrecken versetzt haben.

Als Nes auf die Insel Strand kam, waren Pellworm und Nordstrand noch verbunden. Die Illustration zum Schluss veranschaulicht dies gut, auch ist das Konvent, in dem Nes und Belanca Zuflucht finden - neben den im Roman erwähnten Orten - eingezeichnet. Vorne, auf der Klappeninnenseite, ist die Nordseeküste um 1960 abgedruckt. Beide Karten leisten zur besseren Orientierung gute Dienste.

Schade. „Das Echo der Gezeiten“ war trotz seiner 576 Seiten viel zu schnell ausgelesen und zugleich schön, dass ich den Roman lesen durfte. Ein Buch, das mich ab Seite eins in seinen Bann gezogen hat. Ein Buch, das ich nicht missen möchte.