Rezension

Neuauflage des Klassikers aus Indonesien (2. von 4 Bänden)

Kind aller Völker - Pramoedya Ananta Toer

Kind aller Völker
von Pramoedya Ananta Toer

Bewertet mit 5 Sternen

Ausgelöst durch die Begegnung mit der indonesischen Zweitfamilie des niederländischen Plantagenbesitzers Mellema sieht der junge Indonesier Minke das Verhältnis zwischen den Kolonialherren und der einheimischen Bevölkerung zunehmend kritisch. Mellemas Konkubine und zugleich Minkes Schwiegermutter muss hinnehmen, dass der Vater ihrer Kinder kein Testament hinterlassen hat und so der leibliche Sohn aus den Niederlanden 2/3 des umfangreichen Besitzes erben wird. Mellema hatte offenbar für den Lebensunterhalt seiner indonesischen Geliebten und seiner Kinder nicht vorgesorgt und die Frage verdrängt, ob sein ältester Sohn für die Nachfolge als Plantagenverwalter überhaupt qualifiziert ist. Die "Nyai" Sanikew ist nicht nur aufgrund der rassistischen Gesetze der Konolnialmacht und der individuellen Bosheit einzelner Personen in ihre aussichtslose Situation geraten, sondern ebenso durch Mellemas Konfliktscheu. Der beispielhafte Konflikt um ein Erbe und einen Nachfolger im elterlichen Betrieb ist in jeder Kultur und in jeder Epoche denkbar. Aufgrund der Allgemeingültigkeit der Situaton der nicht anerkannten "Witwe" bleibt der Spannungsbogen im zweiten von vier Bänden gespannt, während Minke eine interessante Entwicklung vom verwöhnten Sohn zum Querdenker vollzieht.

Minke stammt aus einer mächtigen einheimischen Familie. Für seinen Lebensunterhalt und seine Bequemlichkeit war immer gesorgt, bisher hat er nie über die Lebensbedingungen der einfachen Javaner nachgedacht oder darüber, wer den Wohlstand seines Vaters erarbeitet hat. Durch persönliche Betroffenheit und die richtigen Fragen, die ihm gestellt werden, beginnt Minke nun über die Grenzen seiner Insel hinauszudenken. Die erste Querdenkerin, mit der der junge Mann in Kontakt geriet, war seine Lehrerin für niederländische Literatur, es folgten seine Schwiegermutter als außergewöhnlich geschickte Geschäftsfrau und schließlich der Kontakt zum Journalismus. Wie Minke durch kritisches Nachhaken seines alten Freundes reflektiert, welchen Interessen eine Zeitung dient und welchen Interessen Minke selbst dient, je nachdem ob er niederländisch oder malaiisch publiziert, fand ich überaus spannend zu verfolgen.

Pramoedya Ananta Toers Absicht, mit seiner Buchreihe ein politisches Lehrstück vorzulegen, ist nicht zu übersehen. Minke trifft im für die Handlung entscheidenden Moment stets den zu seinem aktuellen politischen und sozialen Bewusstsein passenden Informanten. Die vielen Figuren aus diversen Kulturen und ihre Schicksale machen die spürbare pädagogische Absicht jedoch erträglich.

1. Garten der Menschheit
2. Kind aller Völker
3. Spur der Schritte
4. Haus aus Glas