Rezension

Nicht der erwartete Wohlfühlroman...

Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary - Robin Sloan

Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary
von Robin Sloan

Bewertet mit 3 Sternen

Erwartet hatte ich hier nach dem Überfliegen des Klappentextes einen Wohlfühlroman, und genau darauf hatte ich Lust in den Tagen rund um Weihnachten. Die Ausführlichkeit des Klappentextes hätte mich vielleicht warnen sollen, dass es so simpel nicht ist. Den Roman einer festen Kategorie zuzuordnen, verbietet sich jedenfalls.

Dabei begann die Erzählung vielversprechend. Lois Clary erledigt pflichtbewusst ihren Job als Software-Ingenieurin und lebt im Grunde nur für ihre Arbeit. Überstunden werden erwartet, Privatleben wird überbewertet, 'höher, schneller, weiter' ist die Prämisse bei General Dexterity. Die junge Frau bekommt zu wenig Schlaf, entwickelt bei all dem Stress einen empfindlichen Magen und steigt wie viele ihrer Kollegen bald schon auf künstliche Nahrung um, die langweilig schmeckt aber gut verträglich zu sein scheint.

Eines Abends entdeckt Lois zufällig eine Anzeige, in der für einen kleinen Lieferservice geworben wird. Sie bestellt dort eine scharfe Suppe und ein Sauerteigbrot - und wähnt sich schon kurz darauf wie im siebten Himmel. Die Schärfe der Suppe scheint genau das Richtige für ihren Magen zu sein, und das Brot - einfach himmlisch. Bald schon gibt es nichts, auf das sie sich mehr freut als auf die allabendlich Lieferung ihrer Suppe und ihres Brotes. 'Beste Esserin' nennen sie die beiden Brüder, die den kleinen Lieferservice betreiben, doch eines Abends erfährt Lois zu ihrem Entsetzen, dass die beiden schon am nächsten Tag nach Europa reisen werden - für immer.

Als Trost lassen ihr die Brüder einen kleinen Teil ihres Ansatzes für das Sauerteigbrot da samt einiger Hinweise für den korrekten Umgang damit. Lois beginnt, sich mit der Herstellung von Brot zu beschäftigen, denn sie will diesen Ansatz keinesfalls verkümmern lassen. Doch dass dann alles derart ausufern würde - damit hätte wohl niemand gerechnet. Lois baut nicht nur ihren eigenen Steinofen im Garten, sie kündigt auch ihren gut bezahlten Job und begibt sich in das Abenteuer des Neuanfangs: Brot backen und verkaufen...

So weit, so gut und in Richtung Wohfühlroman deutend. Aber dann... Der Sauerteig entpuppt sich als etwas Besonderes, das ein Eigenleben zu führen scheint, das beispielsweise eine bestimmte Musik braucht um zu wachsen und das selbst bestimmte Gerüche (immer: Banane) und Geräusche absondert. Dieser Sauerteig entwickelt sich weiter und führt zu Überraschungen und Komplikationen, die niemand hätte vorhersehen können. Klingt abgedreht? Stimmt.

Lois will Brot backen und davon leben - und dafür schließt sie sich einem experimentellen Street-Food-Markt an, wo sie einer großen Zahl anderer Menschen begegnet, die etwas Besonderes schaffen und damit etwas verändern wollen. Dabei gehört modernste Technologie unweigerlich dazu - auch Lois nimmt die Hilfe eines Roboterarms bei ihren zahllosen Backdurchgängen gerne in Anspruch. Doch ist die Verbindung zwischen Tradition und neuen Kulturtechniken wirklich empfehlenswert?

Was ist das nun also für ein Roman? Vor allem zu Beginn gibt es den erwarteten Wohlfühlcharakter - zumindest eine Ahnung davon. Bei der Geschichte um den Sauerteig kommen eindeutig märchenhafte Anteile hinzu, bei der Erläuterung von technischen Details gibt es teilweise ausführliche Ausflüge in die wissenschaftliche Abteilung, historische Anleihen gibt es ebenfalls bei einigen Themen und ein paar Tropfen Liebesgeschichte sowie einige humorvolle Szenen setzt der Autor als Topping oben auf.

Keine immer gut verdauliche Mischung, so empfand ich es zumindest, zumal der Lesefluss immer wieder durch häufige Themen- und Ortswechsel unterbrochen wird. Dadurch wirkt die Erzählung weniger ruhig und aus einem Guss. Schön fand ich die eMails zwischen Lois und einem der Brüder, die ihr den Sauerteig-Ansatz überlassen hatten, die immer wieder zwischen den Kapiteln auftauchten. Allerdings war Lois als Person für mich nur halbwegs greifbar - eine fleißige Ameise, die allmählich herausfindet, was ihr wichtig ist im Leben, von der ich aber bis zum Schluss kein wirkliches Bild vor Augen hatte.

Insgesamt konnte ich mich jedenfalls leider nicht so in die Erzählung fallen lassen wie ich es mir erhofft hatte. Meine Erwartung von der Art des Romans wurde ebenfalls nicht erfüllt, sondern ich bekam eine etwas schräge Geschichte in wildem Genremix um den Konflikt zwischen Tradition und moderner Technologie. Ein Buch, das bei mir leider sicher keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Schade.

© Parden