Rezension

Nicht spannend genug und oft zu vage

Empfindliche Wahrheit - John le Carré

Empfindliche Wahrheit
von John Le Carré

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt

Ein Agent, der für einen Einsatz auf Gibraltar den Tarnnamen Paul Andersen trägt, wartet in seinem Hotel auf seinen Einsatzbefehl. Es handelt sich um eine hochgeheime Operation im Bereich der Terrorabwehr, in Zusammenarbeit mit einer privaten amerikanischen Firma namens Ethical Outcomes. Sie trägt den Namen „Wildlife“. Im Laufe des ersten Kapitels erfährt man, dass es sich um einen Zugriff auf einen gesuchten Terroristen handelt. Die Zielperson soll im Laufe des Abends von seiner Jacht aus zu einem bestimmten Haus in einer Siedlung direkt am Meer fahren. In einem Versteck warten dort die Einsatzkräfte. Mit im Team ist neben Paul ein gewisser Jeb, der als sein Partner fungiert.
Als sich die Zielperson auf den Weg macht, ist man über ein ausgeklügeltes System von Kameras und Bildschirmen sehr nah am Geschehen dran und bekommt mit, dass etwas schief läuft. Der gesuchte Terrorist fährt gar nicht in das observierte Haus. Dennoch kommt es zum Einsatzbefehl. Paul, der nur als Kontaktmann bei der Operation fungierte, bekommt gar nicht genau mit, was sich im Haus genau ereignet. Er hört nur, dass geschossen wird. Offenbar ist der Einsatz gelungen. Es wird gefeiert. Paul, der eigentlich Beamter im Außenministerium ist, wird zur Belohnung auf einen lukrativen Posten in der Karibik versetzt, wo er von der Queen sogar in den Adelsstand erhoben wird.

Drei Jahre später kommt Paul Andersen, der mit seinem richtigen Namen Kit Probyn heißt, aus der Karibik zurück und zieht mit seiner an Krebs erkrankten Frau Suzanna nach Cornwall, wo ihn eines Tages die ungeklärte Vergangenheit in Form eines Lederwarenverkäufers, der sich als seinen ehemaligen Einsatzpartner Jeb herausstellt, einholt. Seine Frau Suzanna will unbedingt wissen, was vor drei Jahren bei diesem hochgeheimen Einsatz passiert ist und ob sich ihr Mann Kit in irgendeiner Form schuldig gemacht hat.

In einer anderen Perspektive begegnen wir dem hoffnungsvollen jungen Diplomaten Toby Bell. Er ist Assistent des Ministers Fergus Quinn und hat mitbekommen, wie sein Minister einen hochgeheimen Einsatz geplant hat, der nicht mehr erwähnt werden darf und dessen Ausgang ein großes Tabu darstellt. Im Laufe von Kits Nachforschungen zum damaligen Einsatz stößt er auf den Namen Toby Bell, von dem er vermutet, dass er als persönlicher Assistent Quinns mehr wissen muss. Er nimmt Kontakt mit Toby auf. Ihre Nachforschungen stoßen nicht auf Gegenliebe. Es wird sehr schnell klar, dass höhere Mächte im Spiel stehen und beide in Gefahr sind.

Meine Meinung

Ich habe diesen Roman mit ziemlich hohen Erwartungen gelesen, weil John le Carré für mich für spannende, intelligente Spionageromane steht. Das erste Kapital mit dem Einsatz auf Gibraltar entsprach dann auch ziemlich genau meinen Erwartungen. Aber ich war doch recht ratlos, dass es zu einem Zugriff mit Schusseinsatz gekommen, obwohl man wusste, dass die gesuchte Person sich gar nicht im Haus befand. Ich fühlte mich darüber etwas unbehaglich, weil ich nicht recht wusste, ob ich jetzt etwas nicht verstanden hatte. Erst im Laufe des Buches ist mir klar geworden, dass der Autor diese Unbehaglichkeit erzeugen wollte. Allerdings hat es mir etwas zu lange gedauert, bis nach dem rasanten Anfang wieder wenigstens ein Hauch von Spannung aufgetreten ist.

Man lernt in Folge die Figuren Toby Bell und Kit Probyn sowie ihr Umfeld kennen, was durchaus interessant ist. Es wird für meinen Geschmack aber etwas zuviel auf gestelztem Niveau daher geredet, so dass ich die Lektüre als recht ermüdend empfand.

Vom sprachlichen her, war das Buch sehr schön zu lesen. Ich fand auch die Schriftgröße und der Druck sehr angenehm, so dass ich meistens sehr gerne zu diesem Buch gegriffen habe. Aus anderen Rezensionen habe ich entnommen, dass John le Carré mit diesem Buch scharfe Kritik an New Labour übt. Das habe ich durchaus auch empfunden, aber mir war die Kritik dann doch etwas zu wenig explizit. Ich denke, die Tatsache, dass ein misslungener Einsatz, bei dem es zu Kollateralschäden kommt, auch von anderen Regierungen lieber unter den Teppich gekehrt wird. Dass man mit Whistleblowern nicht gerade zimperlich umgeht, kann man ja aktuell in der Politik gut verfolgen.

Der Roman hat sicher große Aktualität. Man sieht an einem Beispiel wie mit der Wahrheit umgegangen wird, beziehungsweise welche Gefahren lauern, wenn der Wahrheit auf den Grund gehen will. Er gibt auch sehr interessante Einblicke in die Arbeitsweisen von Geheimdiensten und privaten Sicherheitsfirmen. Aber wirklich ins Detail ging er da nicht. Im Vergleich zu älteren Spionageromane hatten die Figuren natürlich Computer, Handys und mussten aufpassen, dass sie nicht abgehört wurden, aber der Autor blieb bei den technischen Möglichkeiten doch eher vage.

Mein Fazit

Mich konnte dieser Roman nicht wirklich so packen, wie ich es mir gewünscht hätte. Er war mir nicht durchgehend spannend genug. Sprachlich haben gestelzte englische Dialoge aus vornehmen Herrenclubs durchaus ihren Reiz, aber auf mich haben sie einen etwas verstaubten Eindruck gemacht. Für Fans von le Carré und Kennern der britischen Politik ist der Roman aber sicher empfehlenswert, nicht zuletzt auch weil die Aufmachung wirklich sehr gelungen ist. Ich vergebe 3 Sterne.