Rezension

Nicht zu unterschätzen!

Terror - Ferdinand von Schirach

Terror
von Ferdinand von Schirach

Bewertet mit 5 Sternen

Grob dürfte mittlerweile ein jeder die Handlung kennen, da das Theaterstück viel diskutiert worden ist: Als ein Terrorist ein Flugzeug der Lufthansa kapert und die Piloten zwingt, auf die menschengefüllte Allianz-Arena in München zuzusteuern, stellt sich die Frage, ob und wenn ja, wie man eingreifen darf oder sogar muss. Gegen den Befehl seiner Vorgesetzten schießt ein Kampfpilot der Luftwaffe - Lars Koch - das Flugzeug ab. Alle 164 Passagiere sterben, jedoch bleiben die 70.000 Besucher des Stadions am Leben. Dass von seinen Vorgesetzten kein Kommando erteilt wurde, hatte allerdings seine Gründe... Und so muss sich der Pilot vor Gericht verantworten - sowohl für seine Schuld als auch für seine Freisprechung gibt es zahlreiche Argumente und Regelungen. Ob er letztendlich verurteilt wird, liegt am Publikum, welches die Rolle der Schöffen einnimmt, oder am Leser.

Ich war sehr gespannt auf das Buch, da ich von dem Theaterstück nur gehört hatte und mir nun gerne ein eigenes Bild machen wollte. Tatsächlich lohnt es sich ausgesprochen, das Buch zu lesen - auch wenn man meint, die Dilemma-Situation ja bereits zu kennen. Die vielen Details, gesetzlichen Vorgaben und Alternativmöglichkeiten kann man unmöglich anders erfahren. Im Buch finden sich beide Enden - die Verurteilung und die Freisprechung -, während im Theaterstück das von der Mehrheit gewählte Ende aufgeführt wird. Sehr interessant finde ich hier, dass eine Internetseite betrieben wird, auf der man die weltweit gewählten Enden auf einer Karte sehen kann. So wird in Europa fast ausschließlich die Freisprechung und in asiatischen Ländern die Verurteilung gewählt.
Das Buch endet mit einer Rede von Schirachs zu Charlie Hepdo, die mich ebenfalls fesseln konnte. Generell hat der Autor mich mit diesem Werk wieder vollkommen in seinen Bann ziehen können. Das Buch hatte ich in kürzester Zeit beendet ohne eine Pause eingelegt zu haben. Dabei ist es wahrlich keine leichte Kost: Kann man ein Leben gegen ein anderes aufwiegen? Sollte man nicht zunächst alle Möglichkeiten ausprobieren, bei denen niemand zu Tode kommt? Wie bindend ist das Gesetz und macht man die Menschen, über die man in solchen Situationen entscheidet nicht zum Objekt? Was ist mit ihrer, im Grundgesetz festgehaltenen, unantastbaren Würde?

In meinen Augen ist dies kein überschätztes Werk. Ganz im Gegenteil halte ich es für äußerst wichtig, es gelesen und sich mit dem Thema ausführlich befasst zu haben. Es vermittelt nicht nur eine Sensibilität für (politisches) Handeln in schwierigen (Terror-)Situationen, sondern zeigt auch auf, welche Grundsätze unseren Staat zusammenhalten. Auch macht es bewusst, wie fatal vorschnelle Beurteilungen offenscheinig simpler Situationen sind. Ich kann "Terror" nur weiterempfehlen!