Rezension

Niemand ist eine Insel

Beim Leben deines Bruders - Peter May

Beim Leben deines Bruders
von Peter May

„Beim Leben deines Bruders“ ist nach „Blackhouse“ der zweite Band der Lewis-Trilogie des schottischen Autors Peter May. Lewis und Harris gehört zu den Äußeren Hebriden, den Inseln im  Nordwesten Schottlands, wobei Lewis der nördliche, eher flache Teil ist. Dorthin kehrt Fin Macleod, ehemaliger Polizist des Lothian & Borders CID in Edinburgh, zurück, um nach dem Tod seines Sohnes Robbie und seiner Scheidung zurück wieder zur Ruhe zu kommen. Er möchte wieder Ordnung in sein Leben bringen, die Bruchstücke seiner persönlichen Katastrophen beseitigen und gleichzeitig den heruntergekommen Bauernhof seiner renovieren.

Aber die Heimkehr wird überschattet von einem Leichenfund im Hochmoor, denn das Ergebnis der DNA-Analyse weist Ähnlichkeiten mit Tormod Macdonald nach, Vater von Marsaili, Fins erster Liebe. Deshalb mischt sich Fin in die Ermittlungen ein, kennt er ihn doch noch von früher und erinnert sich, dass er nie irgendwelche Familienangehörigen erwähnt hat. Aber mittlerweile ist Tormod alt, gebrechlich und leidet an Demenz, er versteht nicht, was um ihn herum passiert. Damit die Ermittlungen zu einem Ergebnis führen ist es aber unabdingbar notwendig, dass er sich an Vergangenes erinnert – auch dann, wenn es für ihn selbst und die Menschen in seiner nächsten Umgebung sehr schmerzhaft ist.

Der Autor nutzt dazu zwei unterschiedliche Perspektiven, zum einen nehmen wir an den Ermittlungen in der Gegenwart teil, die aus der Sicht von Fin Macleod geschildert werden, zum  anderen teilen wir die Erinnerungen von Tormod Macdonald, der erschütternde Details aus seiner Kindheit beschreibt. Intensiviert werden diese Beschreibungen immer wieder durch reflektierende Passagen, die einerseits zwar das Tempo drosseln, andererseits aber auch dafür sorgen, dass der Leser sehr intensiv an diesem Schicksal teilnimmt.

Peter May ist mit seinem neuesten Werk ein beeindruckender Kriminalroman gelungen, bei dem die Aufklärung des Todesfalls beziehungsweise die Entlarvung des Täters völlig in den Hintergrund tritt. Wesentlich interessanter sind die Begleitumstände und die biografischen Rückblenden, die uns in die Nachkriegszeit und die Kindheit von Tormod Macdonald zurückversetzen. Abgerundet wird dieser Krimi durch stimmungsvolle Landschaftsbeschreibungen, die die besondere Atmosphäre dieser rauen schottischen Inselgruppe treffend wiedergibt.