Nun endlich die Mutter
Bewertet mit 2.5 Sternen
Soll man sich verwundern oder den Autor bewundern? Seit Jahrzehnten schreibt er einen autobiographischen Roman nach dem anderen, findet dabei immer wieder neue Anekdoten und Erlebnisse, über die er berichtet. Einige allerdings recycelt er, erwähnt dabei die anderen Bücher, in denen er dasselbe schon einmal erzählt hat.
Nun also der Gegenentwurf zu „Gott fährt Fahrrad“, der Geschichte über seinen Vater, dieses Buch, das er über seine Mutter schreibt. Von Anfang an ist zu spüren, dass er seiner Mutter weniger zugetan war als dem Vater. Er schildert sie als bigotte, von einer wahnhaften Eifersucht zerfressene und unnahbare Frau, kann sich an keine mütterlichen Liebkosungen, Küsse oder Zärtlichkeiten erinnern.
Die Mutter gehörte einer freudlosen Gruppe der ohnehin schon freudlosen protestantisch-calvinistischen Kirche an, die einzig auf ihr jenseitiges Heil bedacht ist, die Bibel wörtlich nimmt und sich intolerant und restriktiv gegen alle anderen Glaubensgemeinschaften abschottet. Mit Gehorsam, Zucht und Arbeit glaubt man, dem Herrn zu dienen, und gestaltet seinen Alltag.
Auf der anderen Seite wurde die Mutter von einer grundlosen paranoiden Eifersucht beherrscht, sah ihren Mann immer und überall von „Miezen“ belauert und spann die absurdesten Geschichten über seine angeblichen Seitensprünge.
Wer will es dem Sohn Maarten verdenken, dass er alles, was Glauben, Kirche oder Gott berührt, für sich ablehnt und verneint? So scharf wie in diesem Buch hat er sich bisher in keinem seiner anderen Werke gegen Gott und den Glauben gestellt. Als würde die direkte Konfrontation mit der Mutter Hass und Wut neu schüren.
In den letzten 20 Seiten des Buches geht es folglich nicht mehr um sie, sondern um den Glauben. Der Autor nimmt sich das Glaubensbekenntnis und das Vater unser Vers für Vers vor und falsifiziert, macht lächerlich, versucht Gegenbeweise.
Dass das Kind Maarten die Geschichte der Sintflut und der Arche genau studiert und widerlegt, liest sich amüsant, für jeden verständlich, und man zollt ihm Beifall. Auch seinen Frust, dass niemand, weder Eltern noch Lehrer noch Pastor, seine Gedankengänge ernst nimmt und jedernihn auflaufen lässt, kann man begreifen. Dass aber der intelligente und belesene Autor 't Hart nicht anders an religiöse Aussagen herangeht als das Kind, überrascht. Er hat sich nach eigenen Angaben mit altorientalischen Mythen beschäftigt, müsste also wissen, dass auch die Bibel, v.a. das Alte Testament dazu gehört.
Und haben nicht Theologen und Philosophen jahrhunderte lang erfolglos die Existenz Gottes zu beweisen versucht? Warum versucht 't Hart im Umkehrschluss die Existenz Gottes zu widerlegen? Ein vergebliches Mühen - wenn das eine nicht gelingen kann, dann das andere auch nicht.
Auch der Ton, in dem er schreibt, gefällt nicht. Man kann von Anhängern merkwürdiger Sekten mit seltsamen Glaubensformen halten, was man will. Sie mit abschätzigen Worten zu belegen („bescheuerte Idioten“, S. 303) steht niemandem zu und diffamiert eher den, der sie schreibt, als den, den sie treffen sollen.
Bisher gefielen die autobiographischen Romane des Autors. Er kann lebhaft, bunt und kurzweilig erzählen. Doch mit der Mutter kam er nicht klar, weder im Leben noch im Schreiben. Vielleicht - wie seine harsche und intolerante Glaubenskritik beweist -, weil der Apfel nicht so weit vom Stamm fällt wie 't Hart sich selbst und den Leser glauben lassen will?