Rezension

Nur für Fans empfehlenswert!

Knickerbocker4immer - Alte Geister ruhen unsanft - Thomas Brezina

Knickerbocker4immer - Alte Geister ruhen unsanft
von Thomas Brezina

Der Sprung vom Kinderbuch zum Erwachsenenbuch ist Thomas Brezina mit dieser Geschichte leider nicht gelungen, auch wenn das Vorhaben mutig und die Idee gut war. Der Schreibstil präsentiert sich leider zu einfach und generell fehlt es dem ganzen Buch an einer Komplexität und Tiefe, die man in einem Krimi für Erwachsene erwarten würde. Auch auf atemlose Spannung habe ich leider vergeblich gewartet. So macht „Alte Geister ruhen unsanft“ im Vergleich mit den alten Büchern nichts besser, manches gleich gut und manches sogar schlechter. Für mich (und meine großen Erwartungen) war die Lektüre deshalb leider insgesamt enttäuschend. Für Fans der Knickerbockerbande ist das Lesen dieses Buches natürlich trotzdem ein Muss! Warum? Ganz einfach, weil der Nostalgiefaktor unglaublich hoch ist und weil sich „Alte Geister ruhen unsanft“ für alle ehemaligen Kinder-Knickerbockerfans anfühlen wird wie Heimkommen.

* Die Rezension enthält minimale Spoiler! *

Inhalt

Nach einem Streit nach einem schrecklichen Unfall trennten sich die Wege der vier engen Freunde Lilo, Dominik, Axel und Poppi – und fast wäre es für immer gewesen. Doch dann erhalten Dominik, Axel und Lilo eine mysteriöse Einladung zu einem Wiedersehen – 20 Jahre nach ihrer Trennung. Poppi soll schwer krank sein und dieses Treffen ihr letzter Wunsch. Trotz ihrer Zweifel machen sich die drei auf den Weg nach England. Auf Canon Island, einer isolierten Insel im Meer, treffen sie aufeinander. Ihre Ankunft wird schon beobachtet, denn jemand hat das alles lange und akribisch geplant…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1, vermutlich werden weitere Bände folgen (hierzu gibt es Andeutungen am Ende des Buches und auch der Autor hat dies in einem Interview angedeutet)
Erzählweise: eine Mischung aus auktorial und personal
Perspektive: aus vielen verschiedenen Perspektiven
Kapitellänge: sehr kurz, manchmal nur 1-2 Seiten
Tiere im Buch: ++ Es werden im Buch keine Tiere gequält oder getötet.

Warum dieses Buch?

Als Fan der Knickerbockerbande in meiner Kindheit führte an diesem Buch natürlich überhaupt kein Weg vorbei. Was ist aus den Kindern von damals geworden, die so mutig waren und so viele Abenteuer erlebt haben? Wie wird es sein, wenn der Autor zum ersten Mal ein Buch für Erwachsene schreibt? Das waren Fragen, denen ich auf den Grund gehen wollte. Meine Hoffnungen und Erwartungen waren unglaublich hoch. Leider folgte schnell die Ernüchterung.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg fiel mir sehr leicht, was auch am typischen Brezina-Schreibstil lag. Sofort fühlte ich mich wieder in meine Kindheit zurückversetzt. In jener der Knickerbocker setzt auch die Geschichte an, man erfährt, warum sie die vier überhaupt damals getrennt und zerstritten haben. Im Anschluss folgt ein Zeitsprung in die Gegenwart. Natürlich möchte man unbedingt herausfinden, was aus Lilo, Poppi, Axel und Dominik geworden ist.

Schreibstil (-)

Es ist Brezinas erstes Erwachsenenbuch nach über 550 Büchern, die er für Kinder publiziert hat. Und das merkt man auch. Er kommt von alten Schreibgewohnheiten nicht los, kann sich von diesem Kinderbuchstil nicht befreien. Wo man komplexere Sätze und mehr Details erwarten würde, findet man stattdessen einen sehr einfachen, teilweise wirklich oberflächlichen Schreibstil vor. Es lassen sich hauptsächlich kurze Hauptsätze in diesem Buch entdecken, dazu wenig Komplexität, wenig Details und wenig Tiefe. Dabei hätte ich mir gerade das erwartet und so sehr gewünscht! Auch gestört haben mich manche seltsamen Formulierungen, die in Kinderbüchern absolut passend sind, bei denen man in einem Buch für erwachsene LeserInnen aber das Gesicht verzieht. Dennoch muss man anmerken, dass sich der Schreibstil sehr schnell und flüssig lesen lässt, so dass man das Buch schnell ausgelesen hat.

Hauptfiguren (+/-)

Das Wiedersehen der Knickerbocker war für mich schön. Es hat mir gefallen, herauszufinden, welche Karrieren die Erwachsenen eingeschlagen haben, wo es sie hin verschlagen hat und welches Leben sie führen. Typische Charaktereigenschaften sind den Freunden geblieben, so dass man sie sofort wiedererkennt hat. Wie auch schon in anderen Rezensionen angemerkt wurde, könnte es dieses Mal allerdings schwerer werden, sich mit den Knickerbockern zu identifizieren, weil sie alle auf ihre Art sehr erfolgreich im Leben sind, auch wenn ich ihren Werdegang passend fand. Wirklich gestört hat mich auch hier wieder die fehlende Tiefe: Dieses Buch wäre eine große Chance für den Autor gewesen, Details und komplexe Gedanken einzuflechten und den Figuren mehr Dreidimensionalität zu geben, jedoch wurde diese Chance leider nicht genutzt. Die Knickerbocker bleiben seltsam blass und ungreifbar, ihre Gefühle und Gedanken sind für Erwachsene und ein erwachsenes LeserInnenpublikum nicht vielschichtig genug.

Nebenfiguren (-)

Die Nebenfiguren erhalten großteils nur kleine Rollen, leider bleiben auch hier viele blass. Ich hätte mir mehr Hintergrundinfos gewünscht und dass man manche einfach ein bisschen besser kennenlernt.

Atmosphäre (+/-)

Das Setting ist mit dieser abgelegenen Insel sehr gut gewählt, besonders in der ersten Hälfte entsteht auch durchaus eine spannende, rätselhafte Grundstimmung. Jedoch denke ich, dass man das unglaubliche Potential des Schauplatzes noch besser nutzen hätte können.

Spannung (-)

Ich habe die alten Bücher als extrem spannend, fast schon nervenzerreißend (ich war immerhin noch ein Kind) in Erinnerung und habe auf genau diese Spannung wieder gehofft. Leider wurde ich enttäuscht. Es gab zwar immer wieder Momente, in denen die Spannung etwas anstieg, jedoch waren diese selten. Neugierig war ich natürlich trotzdem, hier hätte ich mir aber mehr erwartet. Es lag vielleicht an der Gliederung der Geschichte. Die Einführung und der Schluss sind im Verhältnis relativ lang, der Teil auf der Insel, der sehr viel Potential gehabt hätte, aber nur kurz. Wenn man diesen Teil vielleicht mehr ausgebaut und mit der unheimlichen Stimmung und den Ängsten der Knickerbocker gespielt hätte, dann wäre die Spannung sicher noch mehr gestiegen.

Handlung & Themen (-)

Es ist ohne Frage eine mutige Idee, eine Kinderbuchserie in einem Erwachsenenbuch weiterzuführen. Im Zentrum stehen natürlich die neuen, erwachsenen Leben der vier Freunde, es gibt viel aufzuholen und sie müssen sich auch wieder neu kennenlernen. Die Knickerbocker schwelgen teilweise in Erinnerungen, alter Ballast aus Kinderzeiten wird aufgearbeitet. Wirklich tiefgründige Themen schaffen es leider nicht ins Buch, obwohl dies in den Kinderbüchern damals durchaus der Fall war. Das ist schade.

Nostalgiefaktor (+!)

Für mich lebt das Buch ganz klar von seinem Nostalgiefaktor. Ich komme aus einer Familie, in der fast gar keine Literatur gelesen wird und so waren die Knickerbockerbande-Bücher das Erste, was in meine kindlichen Hände fiel, weil mein älterer Cousin seine alten Bücher ausgemustert hat. Ich kann mich erinnern, dass ich diese Bücher damals gefressen habe, ich fand sie wahnsinnig spannend und unterhaltsam, manchmal sogar schon etwas zu unheimlich. Ohne Frage war ich eines jener unzähligen Kinder, die Brezina zum leidenschaftlichen Lesen gebracht hat und dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Deshalb war ich auch sehr neugierig auf die erwachsenen Knickerbocker und wollte mich durch dieses Buch wieder ein Stück weit in meine Kindheit zurückversetzen lassen. Dieser Nostalgiefaktor ist ohne Frage sehr, sehr groß und führt zu einem positiven Gefühl beim Lesen. Dafür gibt es einen halben Stern extra.

Ich finde, Thomas Brezina ist eine tolle Persönlichkeit und ich fand ihn auch bei der Lesung, an der ich teilgenommen habe, wahnsinnig sympathisch, weil er überhaupt nicht arrogant, sondern sehr freundlich und herzlich war. Diese Kritik und dieses prinzipielle Belächeln seiner Kinderbücher kann ich nicht verstehen. Fakt ist, dass Brezina mit seinen Büchern viele Kinder erreicht hat, dass er ein Talent hat, sie zu unterhalten und dass er viele von ihnen zu begeisterten LeserInnen gemacht hat. Das ist eine große Leistung, die man anerkennen sollte, egal, ob man persönlich mit den Büchern etwas anfangen kann oder nicht.

Noch ein interessantes Detail aus dem Interview: Brezina wurde damals davon abgeraten, ein Mädchen zur Anführerin der Gruppe zu machen, weil das zu einem „garantierten Flopp“ führen würde. Ich bin ihm dankbar, dass er auf diese veralteten Rollenbilder und diese negativen Prophezeiungen nichts gegeben hat und dass er es einfach trotzdem getan hat. Umso schöner, dass er mit seinem Erfolg das Gegenteil beweisen konnte.

Mein Fazit

Der Sprung vom Kinderbuch zum Erwachsenenbuch ist Thomas Brezina mit dieser Geschichte leider nicht gelungen, auch wenn das Vorhaben mutig und die Idee gut war. Der Schreibstil präsentiert sich leider zu einfach und generell fehlt es dem ganzen Buch an einer Komplexität und Tiefe, die man in einem Krimi für Erwachsene erwarten würde. Auch auf atemlose Spannung habe ich leider vergeblich gewartet. So macht „Alte Geister ruhen unsanft“ im Vergleich mit den alten Büchern nichts besser, manches gleich gut und manches sogar schlechter. Für mich (und meine großen Erwartungen) war die Lektüre deshalb leider insgesamt enttäuschend. Für Fans der Knickerbockerbande ist das Lesen dieses Buches natürlich trotzdem ein Muss! Warum? Ganz einfach, weil der Nostalgiefaktor unglaublich hoch ist und weil sich „Alte Geister ruhen unsanft“ für alle ehemaligen Kinder-Knickerbockerfans anfühlen wird wie Heimkommen.

Empfehlung: Dieses Buch empfehle ich nur den ehemaligen Knickerbockerbande-LeserInnen von früher, allen anderen rate ich ab. Wer einsteigen will, dem seien die Kinderbücher ans Herz gelegt, zum Beispiel „Der tätowierte Elefant“, das habe ich besonders spannend in Erinnerung.

Bewertung

Idee: 5 Sterne
Ausführung: 3 Sterne
Schreibstil: 2 Sterne
Personen: 2 Sterne
Hauptperson: 3 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Tiefgründigkeit: 1 Stern

Insgesamt:

❀❀,5

Am Ende reicht es leider nur für 2,5 Sterne, die ich nur widerwillig vergebe, da ich mir eigentlich so sehr gewünscht habe, dass mir das Buch gefällt!